Heinz Fassmann, Präsident der ÖAW, reicht Österreichs immerhin hohe Forschungsquote nicht. (c) AIT/APA-Fotoservice/Martin Lusser.
ÖAW-Fassmann

Trotz Platz 3: Österreichs Top-Platzierung bei Forschungsquote reicht Experten nicht

“Investitionen in Forschung und Entwicklung sind Investitionen in die Zukunft”, sagt Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV). Im Rahmen eines Impulsgeprächs präsentierte die IV am Freitag gemeinsam mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und dem Austrian Institute of Technology (AIT) ihre Forderungen zur Stärkung des Forschungs- und Innovationsstandorts Österreich. Die Expertinnen und Experten waren sich einig: Die Forschungs- und Technologieoffensive muss die gesamte Innovationskette in Österreich fördern, von der wissenschaftlichen Idee und Spitzenpublikationen über die angewandte Forschung und Entwicklung bis hin zur Umsetzung innovativer Produkte und Lösungen in der Industrie.  

Platz 3 genügt nicht

Dabei machten die Expertinnen und Experten darauf aufmerksam, dass Österreich in den letzten 20 Jahren besonders positive Ergebnisse in Forschung und Entwicklung (F&E) verzeichnet hat. “Im Vergleich zu 2004 gibt es in Österreich 60 Prozent mehr F&E-aktive Unternehmen”, sagt Neumayer. Zudem erfüllt Österreich mit einer Forschungsquote von 3,34 Prozent nicht nur das EU-Ziel von drei Prozent, sondern liegt hinter Belgien und Schweden mit jeweils 3,4 Prozent unter den Top 3 der forschungsstärksten Länder der EU.  “Wer selbstzufrieden stehen bleibt, der wird von anderen überholt”, sagt ÖAW-Präsident Heinz Fassmann. Daher verfolgt Österreich das Ziel, bis 2030 eine Forschungsquote von zumindest 4 Prozent zu erreichen, um in die Gruppe der europäischen “Innovation Leader” aufsteigen zu können. Das könne laut der Expertinnen- und Expertenrunde jedoch nur dann gelingen, wenn die FTI-Finanzierung in Österreich erhöht wird. Hierfür fordern sie die Sicherung des „Fonds Zukunft Österreich“ für die Zeit nach 2025 bis 2030 sowie die Erhöhung des Budgets um mindestens zehn Prozent – somit auf mindestens 200 Mio. Euro pro Jahr. 

Österreich als “Place to be”

“Österreich ist bereits zu einem Forschungsland geworden. Das sieht man auch an den gewonnen Nobelpreisen mit Pionieren im Bereich des Quantencomputings sowie in anderen Bereichen”, sagt Fassmann. Jedoch werde mehr Mut, Strategie und eine klare Ausrichtung von der Politik benötigt, um weiterhin als ein erfolgreiches Forschungsland bestehen zu können. Hierfür appelliert Fassmann sowohl für finanzielle als auch für gesetzliche Unterstütztung von der Politik: “Österreich kann zu einem ‘Place to be’ für Forscherinnen und Forscher werden. Wir könnten auch zu einem Beispiel werden, was in einem kleinen Land wie Österreich möglich ist. Wir können es schaffen, jedoch müssen wir es politisch auch wollen”, sagt der ÖAW-Präsident. 

Seine Forderungen sind klar: Österreich muss sich im Finanzierungsaspekt an anderen erfolgreichen Ländern wie beispielsweise Finnland, wo per Gesetzesbeschluss eine Vier-Prozent-Forschungsquote festgelegt wurde, orientieren. Zudem müsse sich Österreich nicht nur an EU-Ländern, sondern auch an Ländern wie Südkorea, Singapur, Japan, China und den USA messen. Auch im Bereich der Planbarkeit gäbe es viel Luft nach oben. Hier müsse der Planungszeitraum über drei Leistungsperioden hinaus gehen, denn “wenn wir Labors einrichten, hochqualifizierte Personen aus dem Ausland holen und viel investieren, müssen wir auch davon ausgehen können, nach dem Ablauf der drei Jahre weiterhin Finanzierung zu erhalten”, sagt Fassmann. Daher sei sein Vorschlag ein “drei plus drei” Budget, sodass Forschungsinstitutionen und forschende Unternehmen durch eine Ausweitung von Finanzierungszyklen aber auch das Finanzministerium besser und längerfristiger planen können.

Wettbewerb um Talente

Ein weiterer Schwerpunkt war die gezielte Talentförderung mit besonderem Fokus auf den MINT-Bereich. “Wir haben einen Wettbewerb um die besten Köpfe. Das ist nicht nur österreichweit, sondern mindestens europaweit, wenn nicht sogar global zu sehen”, sagt Brigitte Bach, Geschäftsführerin von AIT. Daher sei es wichtig, die Rahmenbedingungen für Unternehmen und für Forscherinnen und Forscher zu attraktivieren. Hierfür nannten die Expertinnen und Experten Vorschläge, angefangen von der gezielten Tech-Talente-Strategie über FTI-Standortmarketing und Erleichterungen für den Zuzug internationaler Talente bis hin zum Schaffen einer weltoffenen und diversen Kultur. “Unternehmen bleiben in einem Land, wenn sie sich in einem lebendigen Forschungsökosystem bewegen und Erkenntnisse austauschen können”, ergänzte Fassmann.  

Zudem müsse sich Österreich stärker in EU-Forschungsaktivitäten einbringen. Besonders in Stärkefeldern der heimischen Forschung und Industrie sei die Einbindung Österreichs in Europäische FTI-Initiativen essenziell. “Europa ist der Markt für Forscherinnen und Forscher. Wir konkurrieren mit China aber auch mit internen starken Playern. Österreich muss hier stark auftreten, denn es existieren viele großartige Forschungsprojekte, die aus budgetären Gründen nicht gefördert werden”, sagt Bach. Daher fordert die Expertinnen- und Expertenrunde die Erhöhung des Budgets für das nächste EU-Forschungsrahmenprogramm auf mindestens 200 Mrd. Euro.

Produktivität steigern

Auch am anderen Ende der Innovationskette bestehe weiterhin Handlungsbedarf. “Wir müssen den Risiko- und Wachstumskapitalmarkt in Österreich und Europa sowie die Finanzierungsmöglichkeiten für die Skalierungsphasen ausbauen”, sagt Neumayer. Dazu zählen laut dem Experten die Steigerung des Risikokapitals gemessen am BIP, Incentivierung von Stiftungen und Unternehmen sowie die Einrichtung von Dachfonds und einer europäischen Technologiebörse. 

Die letzten 20 Jahre der heimischen Innovationspolitik seien eine Erfolgsgeschichte. “Unser Anspruch muss es sein, das österreichische Erfolgsmodell auch in Europa auszurollen”, sagt Neumayer und ergänzt: “Wir müssen diesen Erfolg auch global stellen.” Daher sei zusätzlich zu den österreichischen auch die aktive Mitgestaltung von internationalen Initiativen und FTI-Programmen der EU essenziell. ” Europa kann seine Wettbewerbsfähigkeit längerfristig nur über eine klare Steigerung der Produktivität halten, wofür Investitionen in Forschung, Technologieentwicklung und Innovation unerlässlich sind”, sagt Neumayer abschließend.