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Steuern & Finanzen: Das halten Experten vom Regierungsprogramm

Fünf Monate nach der Wahl legen ÖVP, SPÖ und Neos ihr Regierungsprogramm vor. Auf 211 Seiten unter dem Titel „Jetzt das Richtige tun. Für Österreich“ finden sich Ideen von drei teilweise sehr unterschiedlichen Parteien. Selektiv hat Experten gebeten, sich das Kapitel Steuern und Finanzen näher anzusehen und einzuordnen.

„Es hilft wenig, dass sich die neue Regierung eine Verbesserung der Rahmenbedingungen und Entlastungen ins Aufgabenheft geschrieben hat, wenn nicht klar ist, wie und wann diese Ziele erreicht werden sollen. Im aktuellen Umfeld ist das zu wenig“, meint Raiffeisen-Ökonom Matthias Reith. Eco-Austria-Direktorin Monika Köppl-Turyna kritisiert die teilweise Rücknahme der Abschaffung der Kalten Progression und das unambitionierte Programm im Bereich der Pensionen. Dem Wiener-Börse-Chef Christoph Boschan ist das Kapitel zum Kapitalmarkt zu allgemein gehalten. Momentum-Chefökonom Oliver Picek weist darauf hin, dass ein Viertel des Konsolidierungsbedarfs durch zusätzliche Einnahmen abgedeckt wird.

Im Laufe der kommenden Tage folgen weitere Analysen zu Themen wie Standort, Klima, Soziales, Deregulierung oder Freihandel.

„Machtverschiebung zugunsten von Steuererhöhungen“ – Monika Köppl-Turyna, Direktorin EcoAustria

  1. Besonders auffällig an dem Programm ist die Tatsache, dass alle Steuererhöhungen de facto fixiert sind, während gleichzeitig die Senkungen (z.B. Senkung der Lohnnebenkosten) unter Vorbehalt stehen. Dies führt zu einer Machtverschiebung zugunsten von Steuererhöhungen. Es gibt keine Garantie, dass die – ohnehin besonders hohe – Abgabenquote nicht weiter steigt.
  2. Drittel der kalten Progression: Besonders kritisch ist die Festlegung, dass das diskretionär zu bestimmende „Drittel“ der kalten Progression nicht angepasst wird. Das bedeutet eine weitere Belastung der Arbeit und unter Umständen einen Anstieg der Lohnstückkosten, wenn die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber den Kaufkraftverlust in den Verhandlungen ausgleichen müssen.
  3. Mehrere Maßnahmen mit zum Teil unterschiedlichen Wirkungen werden fixiert: Erfassung von Share Deals bei Immobilientransaktionen, Sondersteuer für Energiekonzerne, Bankenabgabe. Die Auswirkungen auf Haushalte und Verbraucher sind unklar, da die Abgaben im Prinzip überwälzt werden können.
  4. Die großen Strukturprobleme werden kaum angegangen. Insbesondere im Bereich der Pensionen ist das Programm sehr unambitioniert. Die angekündigten Einsparungen sind zwar ein Schritt in Richtung finanzieller Konsolidierung, lösen aber nicht die grundlegenden Herausforderungen der langfristigen Tragfähigkeit unseres Pensionssystems. Für eine nachhaltige Sicherung des österreichischen Pensionssystems ist eine Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters die deutlich wirkungsvollere Maßnahme. Eine Möglichkeit besteht darin, dieses automatisch an die steigende Lebenserwartung zu koppeln – ein Ansatz, der in mehreren OECD-Ländern wie etwa Dänemark oder Finnland bereits umgesetzt wurde.
  5. Positiv zu bewerten sind die bereits früher beschlossenen und nun auch im Regierungsprogramm enthaltenen Maßnahmen im Bereich Klimaförderung und Bildungskarenz.

„Die großen Strukturprobleme werden kaum angegangen. Insbesondere im Bereich der Pensionen ist das Programm sehr unambitioniert.“

Monika Köppl-Turyna, EcoAustria

„Im aktuellen Umfeld ist das zu wenig“ – Matthias Reith, Senior Ökonom, Raiffeisen Research

Das Regierungsprogramm enthält mit Blick auf Wirtschafts- und Finanzpolitik Licht und Schatten. Man muss der künftigen Regierung zugutehalten: Das Regierungsprogramm setzt im Bereich der Wirtschafts- und Finanzpolitik die richtigen Ziele, strukturelle Themen z.B. bei den Pensionen werden teilweise mit konkreten, wenn auch langfristig nicht ausreichenden Maßnahmen adressiert. Eine höhere Forschungsquote, erleichterte Unternehmensgründung und Startup-Finanzierung sind wichtig für den langfristigen Ausblick, kurzfristig ändert sich dadurch aber kaum etwas. Und gerade mit Blick auf dringend notwendige Maßnahmen zur Standortsicherung muss man leider sagen: Es hilft wenig, dass sich die neue Regierung eine Verbesserung der Rahmenbedingungen und Entlastungen ins Aufgabenheft geschrieben hat, wenn nicht klar ist, wie und wann diese Ziele erreicht werden sollen. Im aktuellen Umfeld ist das zu wenig. Österreich droht das dritte Rezessionsjahr. Noch nie blickten österreichische Exportunternehmen derart pessimistisch in die eigene Zukunft wie derzeit. Energie, Bürokratie, Steuern und Lohnkosten werden zwar als Problemfelder benannt, konkrete Maßnahmen oder zumindest ein „Fahrplan“ sind aber Mangelware. Viel zu oft soll nur „evaluiert“ werden. Die angedachte Senkung der Lohnnebenkosten muss da fast schon als positive Ausnahme herhalten. Immerhin wird den Unternehmen für 2027 Linderung in Aussicht gestellt – wenn es die Kassenlage zulässt. 

Die Richtung der bald anstehenden Konjunkturprognosen ist klar, der Aufschwung verschiebt sich noch weiter nach hinten. Für die Regierung bedeutet das: Aus dem Budgetvorbehalt dürfte alsbald die Gewissheit werden, dass viele wichtige Maßnahmen ohne Einschnitte an anderer Stelle nicht umgesetzt werden können. Ganz im Gegenteil: Um die Budgetvorgaben einhalten zu können, sind wohl Nachbesserungen beim Sparpaket notwendig. Das angedachte Konsolidierungsvolumen von 6,3 Mrd. Euro im laufenden und 8,7 Mrd. Euro im kommenden Jahr dürfte nicht das Ende der Fahnenstange sein.

Es ist gut, dass zeitnah bei den Korridorpensionen angesetzt werden soll. Eine Pensionsreform sieht jedoch anders aus. Langfristig wird man um eine solche nicht herumkommen, will man die Staatsfinanzen auf stabile beine Stellen. Das gilt umso mehr, da unklar ist, wo 2026 und insbesondere in den Folgejahren die Einsparungen herkommen sollen. Der Föderalismus ist in dieser Hinsicht ein „Evergreen“ und bleibt natürlich nicht unerwähnt, konkrete Schritte sucht man aber vergeblich.

„Konkrete und zeitnahe Maßnahmen, wie die Industrie wieder flott gemacht werden kann, suchen wir vergeblich.“

Matthias Reith, Raiffeisen Research

Unternehmen wissen also seit Donnerstag: Das Regierungsprogramm enthält zwar viele Bekenntnisse zum Standort und zur Wettbewerbsfähigkeit, ein Turbo dafür ist es aber nicht. Das Regierungsprogramm regelt detailliert, wie sich die Mieten in den nächsten Jahren entwickeln dürfen. Konkrete und zeitnahe Maßnahmen, wie die Industrie wieder flott gemacht werden kann, suchen wir hingegen vergeblich. Das 211-Seiten-Werk ist damit mit Blick auf die Wirtschaftspolitik in gewisser Weise eine vertane Chance, denn ein Aufbruchssignal für die Wirtschaft geht davon nicht aus. Zur Stimmungsaufhellung wird der Regierungsfahrplan also eher nicht beitragen.

„Staaten mit entwickelten Kapitalmärkten wachsen schneller“ – Christoph Boschan, CEO Wiener Börse

Das Kapitel zur Stärkung des Kapitalmarktes ist sehr allgemein verfasst. Der geplante Ausbau der betrieblichen Altersvorsorge bzw. ein stärkerer Fokus auf die zweite und dritte Säule des Pensionssystems ist zu begrüßen. Es kommt nun darauf an, welche konkreten Maßnahmen folgen. Formulierungen im Bereich Förderungen wie „In Zukunft sollen verstärkt budgetschonende Instrumente zur Unterstützung unternehmerischen Wachstums forciert werden“ verdeutlichen den Spardruck.

„Wer Wachstum fördern und Unternehmen am Standort verankern will, muss Kapital und Rahmenbedingungen bereitstellen.“

Christoph Boschan, Wiener Börse

Wer Wachstum fördern und Unternehmen am Standort verankern will, muss Kapital und Rahmenbedingungen bereitstellen. Staaten mit entwickelten Kapitalmärkten wachsen schneller, nachhaltiger und erholen sich rascher von Krisen. Eine Maßnahme wie die teilweise Kapitalmarktorientierung des Pensionssystems löst mehrere Herausforderungen zugleich: Unternehmen finanzieren Innovation, Pensionen profitieren vom unternehmerischen Wachstum und die klaffenden Budgetlöcher werden gestopft. Dies fiele für mich unter das Motto „Jetzt das Richtige tun. Für Österreich.“

„Unternehmen tragen ein Fünftel des Sparpakets“ – Oliver Picek, Chefökonom Momentum Institut

„Die Regierung plant ein stark ausgabenseitiges Sparpaket für 2025  – drei Viertel der Gesamtersparnis sollen durch Ausgaben- und Förderkürzungen kommen oder bei der Öffentlichen Hand selbst eingespart werden. Nur ein Viertel wird durch zusätzliche Einnahmen abgedeckt.

Positiv zu erwähnen ist der Beitrag der Banken und Energiekonzerne zur Budgetsanierung für die ersten beiden Jahre. Abgesehen davon werden die Unternehmen aber stärker geschont im Sparpaket. Sie tragen 2025 nur ein Fünftel des Sparpakets, die Haushalte aber die Hälfte. Das zeigt sich etwa bei den geplanten Steuererhöhungen. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Selbstständige wird die Kalte Progression zum Teil wieder eingeführt. Aber für Unternehmen bleiben die Steuern auf Unternehmensgewinne weiterhin gesenkt.

„Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Selbstständige wird die Kalte Progression zum Teil wieder eingeführt.“

Oliver Picek, Momentum Institut

Mittelfristig möchte die Regierung stark in der Verwaltung und bei der Öffentlichen Hand sparen. Aber bis 2029 gibt es auch einige Milliarden an Kürzungen bei Pensionen, Gesundheit und vor allem: Klimaschutz. Zwar ist bei einigen Maßnahmen eine soziale Abfederung für die ärmsten Haushalte vorgesehen. Auch soll eine Mietpreisbremse und eine Kindergrundsicherung kommen, um die Armut in Österreich zu bekämpfen. Trotzdem werden die Einsparungen sicherlich bei vielen Haushalten ihre finanziellen Spuren hinterlassen. Ein Beitrag der Reichen ist weiter nicht vorgesehen, eine Erbschafts- und Vermögensteuer könnte dem Budget aber einige wichtige Milliarden zur Sanierung bringen und auch so manche Kürzung bei sozialstaatlichen Leistungen verhindern.“