Miriam Groß ist Ökonomin bei Economica © Economica
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Interview

Sportökonomin: Das bringt eine Fußball-EM der Wirtschaft

Miriam Groß beschäftigt sich als Ökonomin (Economica) mit den wirtschaftlichen Effekten von sportlichen Großveranstaltungen. Im Interview mit Selektiv erklärt sie, wer von einer Fußball-EM am meisten profitiert.

Es gibt kaum jemanden, den die Fußball-EM kalt lässt – spiegelt sich diese Euphorie auch volkswirtschaftlich wieder? Haben sportliche Großereignisse spürbare ökonomische Effekte?

Miriam Groß: Es gibt auf jeden Fall Effekte, aber auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wirken sie sich nicht merklich aus. Das BIP meint die Wirtschaftsleistung, die in einem gesamten Jahr erbracht wird – da bewegen wir uns im Milliardenbereich (Anmerkung: BIP AT 2023: 478,2 Mrd. Euro). Die EM läuft ein Monat. 2008 war die EM in Österreich und brachte 641 Millionen Euro an Bruttowertschöpfung. Das ist viel, hat aber kaum einen Einfluss auf das BIP. Der größte Effekt kommt durch den Tourismus, denn in Europa spielen der Bau neuer Sportstätten und Infrastruktur nicht so eine große Rolle, da beides bereits vorhanden ist und meist nur erweitert oder saniert wird. Beim Tourismus sind es vor allem die ausländischen Gäste, die eine Rolle spielen, da sie zusätzliche Übernachtungen und zusätzlichen Konsum generieren. Wir müssen bei den touristischen Effekten immer auch das Alternativszenario berücksichtigen – man muss rausrechnen, dass es ja auch ohne sportliches Ereignis Nächtigungen gegeben hätte, die Menschen ja trotzdem Essen und Trinken gehen und Touristen statt ins Stadion vielleicht in die Oper gegangen wären.

Am meisten profitiert aber dennoch der Tourismus?

Tourismus, Gastro – und die UEFA. Die UEFA erwartet diesmal 2,4 Milliarden Euro an Einnahmen. Das setzt sich vor allem aus Fernsehrechten, Sponsoring und Ticketerlösen zusammen. Aber da die UEFA ihren Sitz in der Schweiz hat, ist das für Österreichs Wirtschaft erstmal irrelevant.

Und wieviel kostet ein sportliches Großereignis wie die EM das veranstaltende Land?

Das ist nicht sehr transparent, was auch daran liegt, dass es verschiedene Zuständigkeiten und Kostenstellen gibt. Deutsche Kollegen haben versucht, das bei Ministerien und Städten in Erfahrung zu bringen und das ist gar nicht so einfach. Da gibt es zunächst die Infrastrukturausgaben, die in Deutschland nicht so hoch sind, da das meiste bereits vorhanden ist und eher renoviert oder ausgebaut wird. Das wird zum Teil von Ländern, Städten und den Vereinen getragen. Ein sehr hoher Betrag fließt in die Sicherheit – die Kosten dafür sind derzeit noch nicht absehbar. Und schließlich gibt es noch die Fan-Meilen, die bestimmten Vorgaben der UEFA entsprechen müssen – die Kosten dafür tragen die Städte. Berlin hat für die aktuelle EM beispielsweise ein Budget von rund 84 Mio. Euro.

Umgekehrt: Wieviel kostet es, eine Nationalmannschaft ins Rennen zu schicken? Ist das ein Nullsummenspiel oder bleibt am Ende etwas übrig?

Österreich hat bei der letzten EM-Teilnahme ein kleines Plus gemacht. Man bekommt ja bereits für die Qualifikation Geld und wieder einen Betrag für jede weitere Runde, die man erreicht. Einen Teil davon schüttet der ÖFB an die Spieler aus. Die Ausschüttung an die Spieler ist in jedem Land anders und Verhandlungssache.

Würde sich der rot-weiß-rote Erfolgslauf bis ins Finale der Europameisterschaft fortsetzen, könnte sich das Nationalteam, zusätzlich zu Titel und Pokal, 27,25 Mio. Euro an Erfolgsprämie erspielen.

Hat die EM-Teilnahme auch längerfristig eine Auswirkung auf Gehalt bzw. Marktwert der Spieler?

Gerade bei bekannten und erfolgreichen Spielern beispielsweise der ersten Bundesliga oder bei ausländischen Vereinen bestimmt der Markt, wieviel jemand verdient. Wer ist bereit wie viel zu bezahlen? Unter den Top-Ten-Verdienern der EM haben viele ihren Verein gerade in Saudi-Arabien. Eine gute EM-Teilnahme kann den eigenen Wert natürlich steigern. Das geht bis hin zu wie viele Follower hat man auf Social Media wie viel Werbewert hast du. Wer schaut dann die Spiele an wegen dir?

Spielt es auch eine Rolle, in welcher Position man spielt?

Das ist gar nicht so eindeutig. Unter den Topverdienern sind mehr Stürmer und Mittelfeldspieler als Verteidiger. Auf Platz 2 der Topverdiener in Deutschland ist aber Manuel Neuer, also ein Torwart. Werden bestimmte Fähigkeiten oder Spielertypen gesucht, steigert sich auch deren Wert automatisch.