Die Nationalratswahl 2024 hat einen klaren Sieg der FPÖ gebracht, während die ÖVP mit massiven Verlusten auf Platz zwei landet. Auch die SPÖ musste Verluste einstecken und wird drittstärkste Partei – dahinter NEOS und die Grünen. Die Kleinparteien verpassten den Einzug in den Nationalrat (4 Prozent). Selektiv bietet einen Überblick über die Reaktionen auf die Wahl.
Das vorläufige Endergebnis mit Wahlkartenprognose laut APA/ORF/Foresight-Hochrechnung, Schwankungsbreite +/- 0,4; Auszählung: 100 Prozent, Wahlbeteiligung: 78,0 Prozent:
FPÖ: 28,8 Prozent (+12,6); 56 Mandate
ÖVP: 26,3 Prozent (-11,2); 52 Mandate
SPÖ: 21,1 Prozent (-0,1); 41 Mandate
NEOS: 9,2 Prozent (+1,1); 18 Mandate
Die Grünen: 8,3 Prozent (-5,6); 16 Mandate
Reaktion des Bundespräsidenten
„Jetzt geht es darum, aufeinander zuzugehen, Lösungen und Kompromisse zu finden. Das kann schon dauern, aber es ist gut investierte Zeit“. – Alexander van der Bellen via YouTube-Video.
Reaktionen aus den im Parlament vertretenen Parteien
FPÖ
„Wenn historische schlechte Ergebnisse eingefahren werden, kann man nicht alles richtig gemacht haben“. „Unsere Hand ist ausgestreckt, in alle Richtungen“. – FPÖ-Spitzenkandidat Herbert Kickl nach der Wahl im ORF.
„Der Wählerwille war heute so klar, dass man sich schwer tun wird, eine Begründung zu finden, Herbert Kickl nicht den Auftrag zur Regierungsbildung zu erteilen.“ – Salzburgs FPÖ-Obfrau Marlene Svazek zur APA.
ÖVP
„Dei ÖVP hat sich zurückgekämpft von dort, wo uns schon manche gesehen haben, nämlich in der Bedeutungslosigkeit der politischen Auseinandersetzung.“ – ÖVP-Parteichef Karl Nehammer bei der Wahlfeier.
„Wir haben gemeinsam gekämpft! Für Stabilität und die politische Mitte im Land. Die Volkspartei ist stärker, als viele es für möglich gehalten haben. Selbstverständlich stehen wir auch nach Wahl zu dem, was wir unseren Wählerinnen und Wählern davor versprochen haben.“ – Nehammer am Wahlabend auf X.
„Es ist kein Geheimnis, dass wir Platz eins erreichen wollten. Jetzt feiern wir trotzdem!“ – ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker bei der Wahlfeier.
SPÖ
„Das Ergebnis der Sozialdemokratie ist nicht das, was man sich wünschen würde.“ „Natürlich ist die Hand ausgestreckt“. – SPÖ-Parteichef Andreas Babler nach der Wahl im ORF.
„Es ist mehr als bitter, dass wir zum ersten Mal in unserer Geschichte auf Platz drei gelandet sind. Ein Weiter-So wird es nicht geben können.“ – Oberösterreichs SPÖ-Chef Michael Lindner zur APA.
Die Grünen
„In der Schönheit der Verfassung steht nichts davon, dass jemand aus einer rechtsextremen Gruppe in der Führung, an der Spitze des österreichischen Nationalrats stehen muss“. „Natürlich wäre uns ein besseres Ergebnis lieber gewesen“. „Jedenfalls kann ich Opposition.“ – Grünen-Spitzenkandidat Werner Kogler nach der Wahl im ORF.
NEOS
„Ich freue mich sehr über unser Ergebnis“. „Wir sind bereit“. „Es gibt zwei Gewinner, die beide für Veränderung stehen“. – NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger nach der Wahl im ORF.
„Wir sind neben der FPÖ der zweite Wahlsieger. Es gibt daher einen klaren Auftrag des Volkes, und der heißt Reform, Reform, Reform.“ – NEOS-Landessprecherin Salzburg, Lisa Aldali, zur APA.
Reaktionen in österreichischen Medien
„Die NEOS könnte mit ihrem Plus als Nummer drei in einer Regierung zumindest für ein frisches Lüfterl sorgen. Diese Zuckerlkoalition aus Türkis, Rot und Pink wäre eine Premiere und die einzige Alternative zu einer FPÖ-geführten Regierung mit einer personell völlig ausgewechselten, geschlagenen ÖVP. Stand Sonntagabend gilt die Zuckerlkoalition noch die wahrscheinlichste Variante.“ – Krone-Ressortleiter Rainer Nowak am Wahlabend auf krone.at
„Herbert Kickl ist es gelungen, das Vorhaben Jörg Haiders umzusetzen: nämlich die einst unantastbaren Großparteien SPÖ und ÖVP mit einem Rekordergebnis als stärkste Kraft abzulösen. Dass ausgerechnet der Zweite-Reihe-Mann Kickl diesen historischen Erfolg einfährt, ist erstaunlich und folgerichtig zugleich.“ – „Presse“-Chefredakteur Florian Asamer im Leitartikel nach der Wahl.
„Kickl hat Haiders Slogan „Sie sind gegen ihn, weil er für Euch ist“ kopiert und: inhaliert. Er wird aber nicht in dessen Fußstapfen und zur Seite treten, um die FPÖ regierungsfähiger zu machen. Zu sehr fühlt sich Kickl durch das Votum gestärkt und wohl als „Volkskanzler“ von der Oppositionsbank aus– wenn es sein muss, bis zur nächsten Wahl.“ – Kurier-Innenpolitik-Chefin Johanna Hager am Wahlabend auf kurier.at.
„Die FPÖ wird für die kommende Legislaturperiode gleichermaßen die stärkste wie ebenso absehbar die isolierteste Partei Österreichs. Zu extrem in den Standpunkten, um eine Koalition anzuführen und die ÖVP doch noch zu verführen. Zu schwach, um auch Zweidrittelbeschlüsse im Parlament verhindern zu können.“ – „Standard“-Chefredakteur Gerold Riedmann in der Montagsausgabe nach der Wahl – hier online.
„Es wird sich erst herausstellen, wie weit die fundamentalen Kickl-Gegner Nehammer und Babler die Geschicke ihrer Parteien auch weiterhin bestimmen können. Oder ob nicht andere Kräfte in ÖVP und SPÖ doch noch auf eine mögliche Koalition mit der FPÖ einschwenken werden. Nach derzeitigem Stand ist diese Variante unwahrscheinlich.“ – Chefredakteur der Salzburger Nachrichten, Manfred Perterer, in der Montagsausgabe nach der Wahl.
„Dass Kickls FPÖ nun stärkste Kraft geworden ist, macht die vor den Parteien liegenden Koalitionsverhandlungen enorm kompliziert. Das beginnt schon mit der Frage, wem Bundespräsident Alexander Van der Bellen den Auftrag zur Regierungsbildung übertragen wird. Grundsätzlich war das immer der Chef der stärksten Partei. Van der Bellen hat aber bereits signalisiert, dass er das bei Kickl nicht zu tun gedenkt.“ – Stv. OÖN-Chefredakteur Wolfgang Braun im Leitartikel der Oberösterreichischen Nachrichten am Wahlabend.
„Eine logische Koalitionsvariante liegt also nicht auf dem Tisch – die Verhandlungen werden sich zäh gestalten und lange dauern, also machen Sie es sich bequem. Schon jetzt, bevor eine Verhandlungsrunde geführt worden ist, spricht die Politik hinter vorgehaltener Hand auch über die Möglichkeit von Neuwahlen. Nur: Was genau soll denn danach besser und anders sein?“ – Profil-Chefredakteurin Anna Thalhammer im Leitartikel am Wahlabend auf profil.at.
„Die Nationalratswahl 2024 ist voller historischer Superlative – im positiven wie negativen Sinne. Sie markiert die Zeitenwende in die Dritte Republik. … Wenn man als Fundament der Zweiten Republik die Große Koalition, die Konkordanzdemokratie, den Interessenausgleich zwischen den beiden einstigen Großparteien SPÖ und ÖVP annimmt, dann ist all das spätestens mit dieser Nationalratswahl zerbröselt.“ – Barbara Tóth am Wahlabend auf falter.at.
Reaktionen in internationalen Medien
„Austria’s far-right swing is another worrying sign for Europe, signaling that a recent surge in populist forces shows no sign of abating. FPÖ leaders regard Hungarian Prime Minister Viktor Orbán, who has systematically dismantled democratic freedoms in his country, as a model and have promised to follow his lead. If the FPÖ succeeds in building a coaliton, the European Union would be faced with a Euroskeptic populist bloc encompassing Austria, Hungary and Slovakia and possibly the Czech Republic after an election there next year.“ – POLITICO.
„So gilt es als wahrscheinlich, dass Kanzler Nehammer den Auftrag bekommt, eine Regierungskoalition zu schmieden. Als Koalitionspartner bietet sich aus Sicht der ÖVP inhaltlich zwar die FPÖ an, aber der Regierungschef hat mehrfach und nachdrücklich klargemacht, dass er eine Zusammenarbeit mit Kickl ausschließt. „Kickl ist nicht in der Lage, Regierungsverantwortung zu tragen.“ Nehammer hatte auch angekündigt, keine Koalitionsverhandlungen mit dem FPÖ-Chef zu führen. Die Alternative zur FPÖ ist die SPÖ. Allerdings gilt ein Bündnis als schwierig, weil SPÖ-Chef Andreas Babler die Sozialdemokraten mit Forderungen wie der nach einer 32-Stunden-Woche weit nach links gerückt hat. Ob sich Babler angesichts des Ergebnisses im Amt halten kann, ist eine der sich nun aufdrängenden Fragen.“ – „Welt„
„Rechts-Knall in Österreich! … FPÖ-Chef Kickl will nun „Bürgerkanzler“ werden, doch keine andere Partei will ihn als Partner. Die ÖVP kündigte zuvor an, eine Koalition mit den Rechtensaußen sei nur ohne Kickl denkbar.“ – Bild-Zeitung.
„Erstmals erreichen die rechtspopulistischen Freiheitlichen bei einer Nationalratswahl den ersten Platz. Ihr Chef Herbert Kickl kann damit Anspruch auf das Kanzleramt erheben. Seine Chancen darauf sind dennoch gering.“ – NZZ
„Kickl’s projected victory is only the latest success for radical right-wing parties in Europe. Italy’s Giorgia Meloni heads a right-wing coalition as leader of the far-right Brothers of Italy party and Germany’s AfD topped the polls in the eastern state of Thuringia last month. Unlike Kickl, Italy’s prime minister has given her full backing to the EU’s defence of Ukraine in the face of Russia’s full-scale invasion.“ – BBC
„Vor dem Hintergrund des Aufstiegs radikaler Parteien in Europa schnitt die von ehemaligen Nazis gegründete Partei sogar besser ab als von den Umfragen vorhergesagt und fügte der öko-konservativen Regierung eine Niederlage zu. Bundeskanzler Karl Nehammer, der Vorsitzende der konservativen ÖVP, stellte die „Enttäuschung“ seiner Partei über die Niederlage (26,3 %) fest. „Wir haben es nicht geschafft, die extreme Rechte einzuholen“, bedauerte er vor einem Publikum, das in düsterer Stimmung war. Mit den Grünen, die deutlich an Zustimmung verloren haben (8,3 %), gibt es viele Streitpunkte und die Scheidung scheint vollzogen zu sein.“ – Le Monde.
Sonstige Reaktionen
„31 Prozent der Selbstständigen, zu denen zu einem kleineren Teil auch die Bäuerinnen und Bauern zählen, gaben an, der Volkspartei ihre Stimme zu geben. Die Berufsgruppe der Selbstständigen hat mit Abstand das beste Ergebnis für die Volkspartei erzielt. Bei den Bäuerinnen und Bauern dürfte die Zustimmung für die ÖVP mehr als 70 Prozent betragen, wie eine Umfrage unter niederösterreichischen Bauernfamilien im Frühjahr 2024 gezeigt hat. Mit 30,8 Prozent der Stimmen liegt das Ergebnis der Volkspartei in den ländlichen Gemeinden klar über jenem in den Städten.“ – Bauernbund via Aussendung.
„In der aktuellen hr hätte ÖVP-SPÖ eine Mehrheit mit genau einem Mandat. Darauf eine Koalition zu bauen wär ein Himmelfahrtskommando. Abgesehen von Abwesenheiten brauchst du in so einem Setting genau einen Abg mit verdichtetem Selbstbewusstsein und du kannst jede Reform schmeißen.“ – Georg Renner auf X.
„Die wirtschaftliche Lage lässt keine Spielchen und Stillstand zu. Es braucht jetzt rasche Sondierungen, gefolgt von knackigen Regierungsverhandlungen, die entschlossen zum Abschluss gebracht werden. Dabei muss besonderer Fokus auf Wirtschaft liegen – zum Erhalt unseres Wohlstands, aber auch um wichtige Klimaschutzmaßnahmen zu forcieren. Was wir brauchen, sind weniger Bürokratie, gezielte Steuererleichterungen und Investitionsanreize. Nur so können wir den drohenden wirtschaftlichen und ökologischen Rückschritt abwenden“. – oecolution-Geschäftsführerin Elisabeth Zehetner via Aussendung.
„Nach der heutigen Wahl geht es nun darum die Herausforderungen des Landes in den Mittelpunkt zu stellen: Österreichs Wirtschaft schrumpft, der Wirtschaftsstandort steht aufgrund der zunehmenden Belastung durch steigende Kosten für Arbeit, Bürokratie und Energie, massiv unter Druck.“ – Industriellenvereinigung via Aussendung.
„Die nächste Bundesregierung muss rasch Lösungen liefern, welche die arbeitende Bevölkerung und die heimischen Unternehmen entlasten. Wir fordern mutige Reformen, um Österreichs Position als attraktiven Wirtschaftsstandort zu sichern“. – Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbands, via Aussendung.
“Im Hinblick auf die jüngste verheerende Hochwasserkatastrophe ist es inakzeptabel, dass Herbert Kickl und die FPÖ immer wieder die Realität der Klimakrise leugnen. Das ist eine Verhöhnung all jener Menschen in Österreich, die die Folgen bitter am eigenen Leib spüren. Keinesfalls darf jemand mit solchen Ansichten das Land anführen. Im Gegenteil, wer auch immer der nächsten Regierung vorsteht, muss Klima- und Naturschutz zur obersten Priorität erklären.” – Greenpeace-Geschäftsführer Alexander Egit via Aussendung.
„Das wird zach.“ – Matthias Strolz auf X.
„In Österreich merkt man: Es wird gerade zum normalsten Vorgang in der Demokratie, öffentlich zu beraten, wie man den Wahlsieger vom Regieren abhalten kann. Noch nie zuvor haben Parteien so deutlich gemacht, dass der Wählerwille sie rein gar nicht interessiert.“ – Julian Reichelt auf X.
„Wahlen in Österreich sind eine einfache Sache: Hunderttausende Menschen wechseln von einer Partei zur anderen und am Ende regiert immer die ÖVP.“ – Laurenz Ennser-Jedenastik auf X.
„Herbert Kickl – der größte Profiteur des Ibiza-Videos.“ – Oliver Pink auf X.