Morning in Brief

Morning in Brief, 21. November 2024

Guten Morgen Österreich!

Wir begrüßen Sie bei unserem wirtschaftspolitischen Briefing um 7 Uhr! Heute zusammengestellt und editiert von Gregor Plieschnig, Stephan Frank und Sara Grasel – wir melden uns aus Wien.

News – das müssen Sie heute wissen:

Gaspreise. Die hohen Gaspreise sind für die energieintensive Industrie mit ihren 140.000 Beschäftigten in Österreich laut Industriellenvereinigung „nicht mehr tragbar“ und die Situation könnte sich weiter verschärfen. Gleichzeitig könnten hohe Energiepreise auch die Inflation wieder anheizen. Derzeit liegen die Preise für Gas pro Megawattstunde (MWh) bei 47 Euro – mehr als doppelt so hoch wie noch vor Beginn der Energiekrise und fünfmal so hoch wie etwa in den USA. Gleichzeitig wurde die deutsche Gasspeicherumlage per 1. Jänner auf 2,99 Euro pro MWh erhöht – Österreichs Gas-Importeuren drohen Mehrkosten von bis zu 750.000 Euro pro Tag, sollte diese Umlage nicht, wie angekündigt, mit Jahreswechsel abgeschafft werden. Für die Abschaffung wäre die Dezembersitzung des deutschen Bundestags der heuer letztmögliche Termin. Die IV kann sich als „ultima ratio“ eine Klage auf EU-Ebene vorstellen, vor allem, um zu verhindern, dass die Umlage „Schule macht“. Zusätzlicher Preistreiber könnte das Ende des russischen Gastransits durch die Ukraine mit Jahreswechsel sein – die Folgen seien aber noch nicht abschätzbar. [Quelle: Hintergrundgespräch der IV; AGGM-Vorstand Painz]

Papierindustrie: „Geldverschenken durch öffentliche Hand nicht zeitgemäß“
Interview mit Martin Zahlbruckner

Die Papierindustrie ist energieintensiv und leidet unter den hohen Energiepreisen in Europa – in Österreich ist die Industrie aber „modern, umweltfreundlich, hat gut investiert und ist innovativ“, sagt Austropapier-Präsident Zahlbruckner im Interview. „Aber in den Rahmenbedingungen haben wir jetzt ein Negativmaß erreicht, mit dem uns die internationale Wettbewerbsfähigkeit verloren geht“.

Grafik (von Christoph Hofer): Nächstes Jahr werden die Strompreise für Haushalte deutlich steigen. Aber wie setzt sich der Strompreis eigentlich zusammen? Neben dem netto Energiepreis und staatlichen Abgaben werden Netzentgelte fällig, die der Betreiber als Gebühr für die Nutzung der Leitungen einhebt. Aufgrund der hohen Kosten für den Netzausbau steigen die Netzentgelte kommendes Jahr. Gleichzeitig laufen die im Zuge der Energiekrise erfolgten Abgabenreduktionen (Elektrizitätsabgabe, Erneuerbare-Förderkosten) aus. Mit Jahresende entfällt zudem die Stromkostenbremse.

Handels-KV. Heute gehen die Verhandlungen zum Handels-Kollektivvertrag für 130.000 Beschäftigte in die vierte Runde. Kommt es zu keiner Einigung, drohen Störaktionen am Einkaufstag „Black Friday“. Die Arbeitgeber bieten einen Zwei-Jahres-Abschluss: für 2025 plus 3,1 Prozent, für 2026 plus 0,5 Prozent auf die rollierende Inflationsrate (sofern diese unter 2,0 Prozent liegt). Die Arbeitnehmer fordern 4,3 Prozent für 2025. [Quelle: GPA]

Sanktions-Überwachung. Die Finanzmarktaufsicht (FMA) übernimmt mit Anfang 2026 die Überwachung von Finanz-Sanktionen gegen Länder wie Russland oder dem Iran von der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB). Mit dem neuen Sanktionengesetz wird auch der Kreis der zu überwachenden Institutionen auf Versicherungen, Wertpapierfirmen und Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen ausgeweitet. [Quelle: FMA]

Standortministerium. Die Industriellenvereinigung will, dass die Energie-Agenden vom Klimaschutzministerium gelöst werden und gemeinsam mit Wirtschaft in einem Standortministerium aufgehen. In den vergangenen Jahren wurde Energiepolitik einseitig als Klimapolitik verstanden, was sich angesichts wettbewerbsschädigender Energiepreise und des zu langsamen Ausbaus der Infrastruktur ändern müsse, sagte IV-Präsident Georg Knill gestern. In einem Kurier-Interview sprach auch Kanzler Karl Nehammer von der Auflösung des, in seiner jetzigen Form „behäbigen“, Klimaschutzministeriums. [Quelle: Hintergrundgespräch der IV; Kurier Donnerstagsausgabe]

Wirtschaft Euroraum. Im dritten Quartal stiegen die Löhne im Euroraum mit einem Plus von 5,42 Prozent kräftig an. Das Wachstum ist damit über der Schwelle von drei Prozent, die als verträglich für einen Verbleib der Inflation unter dem Zielwert von zwei Prozent gilt. Die Europäische Zentralbank (EZB) sorgt sich um die Aussichten für die Finanzstabilität im Euroraum. Vor allem die angekündigten Zölle des kommenden US-Präsidenten Trump könnten die Konjunktur weiter abschwächen. [Quelle: Reuters; EZB

EU-Automarkt. Im Oktober stiegen die Pkw-Neuzulassungen in der EU im Jahresvergleich um 1,1 Prozent auf 866.397 Autos. In den zwei Monaten davor gab es deutliche Rückgänge. Auf Jahressicht ist die Bilanz mit plus 0,7 Prozent auf 8,86 Mio. Autos fast ausgeglichen. Im Oktober wurden im Monatsvergleich etwas weniger Benziner und Diesel-Autos zugelassen, dafür um 2,4 Prozent mehr E-Autos. Auf Jahressicht liegen E-Autos allerdings bei minus 5 Prozent. Der Marktanteil liegt bei 14,4 Prozent. [Quelle: Acea]

Mercosur. Während heute beim Treffen der EU-Handelsminister in Brüssel unter anderem über das Handelsabkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Ländern Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay gesprochen wird, haben China und Brasilien gestern 37 neue Abkommen zur Vertiefung der wirtschaftlichen Beziehungen unterzeichnet. Das Mercosur-Abkommen könnte am 6.Dezember finalisiert werden, wird aber nach wie vor von Ländern wie Frankreich blockiert – heftige Proteste kommen in Europa aus der Landwirtschaft, die Konkurrenz durch Fleischimporte fürchtet. [Quelle: Medienberichte]

EU-Entwaldungsverordnung. Das Europäische Parlament hat letzte Woche das Inkrafttreten der Entwaldungsverordnung um ein Jahr verschoben und sich für eine teilweise Aufweichung der Verordnung eingesetzt. Die Mitgliedsstaaten wollen aber bei der derzeitigen Fassung bleiben, wodurch eine heikle Situation entsteht: Bis Mitte Dezember muss nämlich eine Einigung gefunden werden, die sowohl von Parlament als auch Mitgliedsstaaten abgesegnet werden muss. Scheitert das, tritt die Entwaldungsverordnung doch noch mit Jahresende in Kraft. [Quellen: EU-Kommission, Euronews, EPP | Kommentar: „Man sieht vor lauter Bürokratie-Wald die Bäume nicht mehr“]  

Deutsche Industrie. Deutsche Industrieunternehmen bewerten die eigene Wettbewerbsfähigkeit immer schlechter. Laut einer Erhebung des Ifo-Instituts hat sich diese Einschätzung so stark verschlechtert wie noch nie seit Beginn der Erhebung 1994. Zusammen mit Belgien, Österreich und Finnland rangiert man am unteren Ende der EU-Länder. [Quelle: Ifo-Institut

Deutsche Erzeugerpreise. Aufgrund niedrigerer Energiepreise sinken die deutschen Erzeugerpreise im Oktober – minus 1,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Energie war im Oktober 2024 um 5,6 Prozent billiger als im Oktober 2023 – wichtigster Faktor waren Preisrückgänge bei Mineralölerzeugnissen (minus 12,9 Prozent); Preise für Erdgas sanken im Jahresvergleich um 10,1 Prozent. [Quelle: Statistisches Bundesamt

Selektive Agenda:

9:00 Uhr, Brüssel: Wirtschaftsminister Kocher beim EU-Außenministerrat zum Thema Handel; Themen u.a.: US-Zölle, Mercosur-Abkommen 

11:00 Uhr, Wien: Vierte Runde der KV-Verhandlungen für den Handel in der WKÖ

Selektives Networking:

Jobwechsel und Karriereschritte: Die NEOS schicken die ehemalige ÖVP-Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky für Gesundheitsthemen in die Regierungsverhandlungen. Gunter Mayr ist von Bundespräsident Alexander Van der Bellen als neuer Finanzminister angelobt worden. Michael Bolliger ist der neue Leiter des Brustgesundheitszentrums im Franziskus Spital. Elisabeth Schwetz wurde im Nationalrat mehrheitlich zur Volksanwältin gewählt. Der gebürtige Österreicher Michael Kinzer wird als neuer Direktor ab 1. Juli 2025 die Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia leiten. 

Geburtstage: Wir gratulieren Christoph Kulterer, Andreas Gabalier und Rudolf Anschober zum Geburtstag.

Sehen & gesehen werden:

Heute, 11:00 Uhr, Wien: Podiumsdiskussion der Politischen Akademie auf der Buch Wien zum Thema „Wachstum – Wohlstand – Wirtschaftsstandort: wie wettbewerbsfähig ist Österreich“ mit Gabriel Felbermayr, Katja Gentinetta, Günther Ofner und Elisabeth Zehetner [Info]

Heute, 17:30 Uhr, Wien: Festveranstaltung „70 Jahre KMU Forschung Austria“ u.a. mit Präsident Herbert Neubauer (KMU Forschung), Direktor Urs Fueglistaller (Schweizer Institut für Klein- und Mittelunternehmen, Hochschule St. Gallen), Vorstand Johannes Kopf (AMS) [invite only]

Heute, 18:00 Uhr, Wien: Die Industriellenvereinigung lädt zu „Impulse vom Schwarzenbergplatz“ mit der ehemaligen finnischen Regierungschefin Sanna Marin. [invite only]

Heute, 18:00 Uhr, Wien: Soiree des Außenministeriums „Die verbindende Kraft der Musik“ u.a. mit Außenminister Alexander Schallenberg [invite only]

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