Worum hat sich die Regierung „stets nur bemüht“?

4. Juni 2024Lesezeit: 3 Min.
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Kommentar von Sara Grasel

Sara Grasel ist Chefredakteurin von Selektiv. Sie ist seit fast 20 Jahren Wirtschaftsjournalistin mit Stationen bei „Die Presse“, Trending Topics und brutkasten. Zuletzt war sie Chefredakteurin der Magazine der Industriellenvereinigung.

Wofür würde der Finanzminister der Bundesregierung für die auslaufende Legislaturperiode einen Preis verleihen? Die Antwort ist leicht und ging Magnus Brunner am Dienstagabend bei der Verleihung des „Wiener Börse Preis“ 2024 leicht von den Lippen: die Abschaffung der kalten Progression. Die Steuerstufen werden seit vergangenem Jahr an die Inflation angepasst, was eine Entlastung in Milliardenhöhe bedeutet. Darauf kann man zurecht stolz sein.

Börse-CEO Christoph Boschan hatte da aber noch eine Frage: Was würde im Arbeitszeugnis der Regierung mit einem „hat sich stets bemüht“ kommentiert werden? Das wäre wohl der Kapitalmarkt, meint der Finanzminister zielgruppengerecht im vollen Festsaal des Palais Niederösterreich in der Wiener Herrengasse. Und tatsächlich harrt ein wichtiger Punkt des Regierungsprogramms noch seiner Umsetzung. Eine Behaltefrist würde dafür sorgen, dass Gewinne aus Aktien nach einer bestimmten Dauer des Besitzes der Papiere steuerfrei wären. Die populistische Argumentation der Gegner lässt sich ungefähr so zusammenfassen: Die „Reichen“ machen mit ihrem vielen Geld noch mehr Geld und wollen davon nichts für die Allgemeinheit hergeben. Jakob Schwarz von den Grünen drückte es im Finanzausschuss Anfang Mai so aus: Eine Abschaffung der Kapitalertragssteuer auf Aktiengewinne würde den Vermögensaufbau vor allem für jenen Personenkreis unterstützen, der bereits über Vermögen verfüge.

Eine Umfrage von Peter Hajek hat allerdings ergeben, dass Aktienbesitz in der Einkommensstufe unter 3.000 Euro netto monatlich recht weit verbreitet ist (die Hälfte der Befragten). Und die meisten Aktienbesitzer gab es ausgerechnet unter Grün-Wählern. Ihnen kann man gratulieren, denn bei der derzeitigen und schon länger anhaltenden Inflation wäre ihr Erspartes auf Sparbuch und Co. dahingeschmolzen, während Investments zum Beispiel in breit gestreute ETFs zumindest etwas davon abgefedert haben.

Umso unverständlicher, dass sich die Grünen dabei querlegen, dass diese Anleger bei der Realisierung ihrer Gewinne nicht gleich wieder 27,1 Prozent von diesen abgeben müssen. Brunner nennt seinen Vorschlag zur Umsetzung der Behaltefrist eh schon „Vorsorgedepot“ als dezenten Hinweis darauf, dass es hier nicht um gierige Spekulanten geht, sondern darum, die Altersvorsorge auf breitere Beine zu stellen – denn dass das staatliche Pensionssystem derzeit alles andere als zukunftsfit ist, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Es gibt aber noch einen Grund, der für mehr Lust und Laune auf den Kapitalmarkt spricht: Wichtige Themen wie die grüne Wende müssen zuerst einmal finanziert werden, bevor man sich in regulatorischen Details verlieren kann. Und dafür braucht es privates Kapital. Rein mit staatlichen Förderungen ist das ein eher aussichtsloses Unterfangen.

Brunner wollte dem anlageaffinen Publikum des Börse-Preises die Hoffnung auf die Behaltefrist nicht ganz nehmen und meinte optimistisch, dass ja noch ein paar Wochen Zeit wären, bevor der Wahlkampf so richtig starte. Lustig. Glaubt ihm wohl niemand, dass er das glaubt. Realistisch ist wohl, dass Brunner dieses Thema im längst angelaufenen Wahlkampf immer wieder auf das Tapet bringen kann und wird. Schade eigentlich, es wären ja jetzt doch ein paar Jahre Zeit gewesen, die Behaltefrist aus dem Regierungsprogramm umzusetzen.

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