Wer hat Angst vor dem digitalen Euro?

12. August 2024Lesezeit: 4 Min.
Kommentar von Heike Lehner

Heike Lehner ist freiberufliche Ökonomin. Ihre Spezialgebiete liegen im Bereich der Geldpolitik und Finanzwirtschaft, wozu sie aktuell ebenso promoviert.

Durch die Diskussion im Jahr 2019 rund um Facebooks Digitalwährung Libra wurde das Interesse bei Zentralbanken zur Einführung von digitalen Zentralbankwährungen geweckt. Seitdem wurden etwa auf den Bahamas oder in Nigeria bereits digitale Zentralbankwährungen gestartet. In China befindet sich das Projekt offiziell noch in der Pilotphase. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) bereitet die Einführung des digitalen Euros vor. Sie veröffentlichte bereits einige Berichte hierzu: Von dystopischen Reports, was alles mit dem digitalen Euro möglich wäre, bis hin zu weiteren Plänen, die immer weiter abgeschwächt wurden. Was jedoch bislang vorzufinden ist, ist ein Kommunikationsdesaster, das kaum noch zu retten ist. Eine digitale Zentralwährung, die vor Risiken nur so strotzt, deren Erfolg nach Einführung aber vermutlich begrenzt bleibt. Und Bürger, die das Projekt auch noch finanzieren dürfen.

Die EZB drängt selbst in den Markt

Seit Oktober 2021 beschäftigt sich die EZB konkret mit dem digitalen Euro, der zunächst allen Personen im Euroraum zugänglich gemacht werden soll. Ende 2023 begann die heiße Phase, in der nun alles vorbereitet und erste Experimente durchgeführt werden sollen: Von technischen und rechtlichen Details bis hin zur Frage, wie viele digitale Euros ein Bürger denn eigentlich halten darf, soll alles geklärt werden. Denn für die Zentralbank ist mittlerweile klar: Es braucht eine digitale Alternative zum Bargeld, die gleichzeitig die finanzielle Inklusion fördern soll. Zudem soll so die Abhängigkeit von ausländischen Zahlungsanbietern reduziert werden. Dass die EU kein Entwicklungsland ist, in dem viele Bürger tatsächlich keinen Zugang zu Bankdienstleistungen haben, wird dabei offenbar ignoriert. Außerdem wird es immer Personen geben, die Bargeld und keine digitalen Zahlungen nutzen werden. Dass die EZB unter dem Deckmantel der „strategischen Autonomie“ selbst in den Markt drängt, anstatt Innovation und mehr Wettbewerb durch angemessene Regularien zu fördern, ist die nächste fragwürdige Entscheidung.

Die Risiken des digitalen Euros

Gleichzeitig sind die Risiken offensichtlich: Nicht nur Fragen der Privatsphäre sind zu beantworten. Beispielsweise lässt die Funktion von „bedingten Zahlungen“, die Bürgern verbieten kann, staatlich ungewollte Zahlungen zu tätigen, aufhorchen. Auch die Finanzmarktstabilität ist in Gefahr. Daher sollen auch Begrenzungen festgelegt werden. Die magische Zahl hier lautet aktuell 3000 Euro. Kein Bürger soll zu jedem Zeitpunkt mehr als 3000 digitale Euros halten können. Ob dieser Betrag tatsächlich angemessen ist, wird noch untersucht. Tatsache ist jedoch, dass eine zu hohe Beschränkung dazu führen kann, dass zu viel Geld von Bankkonten abgezogen und in digitalen Euros gehalten wird. Dies kann wiederum die Liquidität im Bankensystem signifikant verringern und im Fall von Finanzmarktstress zu weiteren Instabilitäten führen.

Und all diese Risiken sollen eingegangen werden, obwohl die Erfolge der bisherigen Zentralbankwährungen überschaubar sind. Eingeführte Zentralbankwährungen werden bislang kaum genutzt. Für die EZB und deren Geldpolitik liegt der potenzielle Nutzen auch nur in der Zukunft. Denn über Konten des digitalen Euros könnte etwa Geld via Knopfdruck direkt zu den Bürgern gelangen. Ob die Umsetzung der Geldpolitik tatsächlich derart grenzenlos passieren soll, sei dahingestellt. Auch wenn die EZB es vermutlich nicht so sieht: In Hinblick auf die Preisstabilität sollten diese Möglichkeiten eher als weiteres Risiko als als möglicher Nutzen verbucht werden.

Es bleibt ein mulmiges Gefühl zurück

Für die Bürger bleibt vor allem ein mulmiges Gefühl zurück, dass ein digitaler Euro, den jeder von uns besitzen kann, mehr Gefahren als Nutzen bringt. Außerdem öffnet er Tür und Tor für ineffiziente, risikoreiche, staatliche Eingriffe. In einer krisenbehafteten Zeit wie der jetzigen ist der digitale Euro ein teures Projekt, dessen Notwendigkeit fraglich bleibt. Ende 2025 soll die nächste Phase beginnen, in der dann konkrete Entwicklungspläne vorliegen sollen. Ob die aktuell angebrachte Skepsis bis dorthin ausgeräumt werden wird, ist zu bezweifeln. Es bleibt sinnvoll, ein wachsames Auge auf die weitere Entwicklung des digitalen Euros zu werfen.

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