Was wäre, wenn die bösen Rechtspopulisten der EU helfen?
Rainer Nowak ist österreichischer Journalist und Ressortleiter für Wirtschaft und Politik bei der „Kronen Zeitung“. Zuvor war Nowak Chefredakteur, Herausgeber und Geschäftsführer der Tageszeitung „Die Presse“.
Der EU-Wahlkampf im Land war ein sehr wienerischer. Bassena oder (blaue) Keule. Das inhaltlich interessanteste Thema wurde (un)absichtlich mit dem Verbrenner-Motor-Aus-Aus leider nur an der Oberfläche gestreift. Unter dieser liegt die wichtigste Debatte für den europäischen Wirtschaftsraum verborgen: Soll Europa weiterhin den ökologischen und moralischen Welt-Musterschüler geben oder nicht? Wenn die Union im Wettbewerb mit den USA, China, Indien und Co. bestehen will, müsste sie sich um (ein bisschen) Chancen- und Waffengleichheit kümmern.
Unter Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der Mehrheit des bisherigen EU-Parlaments passiert das exakte Gegenteil: Von Teilnahmebedingungen beim Green Deal bis zum Lieferkettengesetz wurde der europäischen Wirtschaft und Industrie Bürden aufgehalst, die jeden Unternehmer und Konzernchef entweder verzweifeln oder an Ab- und Übersiedelung denken lassen. Dass sie nun kommunikativ mit ihren Warnungen nicht mehr durchkommen, ist auch selbstverschuldet: Zu oft haben sie mit „Es brennt“-Alarmismus vor dem wirtschaftlichen Rückfall Europas gewarnt. Nun brennt es also wirklich und kaum wer hört zu.
Schon während der Covid-Krise scherzten Wirtschaftskenner zynisch, dass die USA sicher wieder schneller aus der Krise kommen werden als Europa. Tatsächlich war es dann wie schon nach der großen Finanz-Bankenkrise 2008 und folgenden Jahren genauso: Die USA kamen aber nicht nur rascher in Wachstumsfahrt – mit dem großen Infrastruktur-Paket und milliardenschweren Anti-Inflation-Act bewies die Administration Joe Bidens, dass sie keine Schulden fürchtet und finanzpolitische Intervention sehr frei nach John Maynard Keynes beherrscht. Sollte Biden die Wahl gegen Donald Trump verlieren, wäre das wirtschaftspolitisch nicht gerecht. Biden hat fast alles richtig machen lassen.
Zurück nach Europa, wo ausgerechnet eine bestenfalls mittelmäßig erfolgreiche Verteidigungsministerin aus Berlin durch den Brüsseler Personal-Basar zur Kommissionspräsidentin bestimmt wurde, die den Kampf gegen den Klimawandel als ureigenste Aufgabe Europas verstand und ihm mit dem Green Deal Rechnung tragen sowie zeitgleich die Wirtschaft massiv stimulieren wollte. Eine endgültige Beurteilung ist zwar noch nicht möglich, angesichts der Wirtschaftsdaten lässt sich aber festhalten: Die Mission ist vorerst gescheitert.
Die Wirtschaft schwächelt noch immer, das Innovationsfeuerwerk wurde noch nicht gesichtet. Die Planwirtschaft kann China einfach besser, Solar- und andere Energiewende-Gerätschaften werden dort zum Schleuderpreis produziert. Europa schaut zu, baut alternativlos auf E-Mobilität und wundert sich, dass die Strompreise auch ohne Ukraine-Gaskrise weiter steigen werden. Dass die KI-Anwendung, -Entwicklung und ihre künftige Ausbreitung das noch massiv verstärken wird, hat sich ebenfalls noch nicht herumgesprochen. Das zweite Viertel des 21. Jahrhunderts wird unsere Energieabhängigkeit offensichtlich noch weiter vergrößern. Wetten, dass die Atomenergie nicht verschwindet?
Mit dem neuen Europa-Parlament werden die rechten und linken Ränder gestärkt, die Demokratie komme unter Druck, so der landläufige Binsenweisheitsjournalismus. Stimmt sogar, die alten Mitte-Volksparteien verlieren teils, die Grünen konnten trotz der Klimawandel-Aufmerksamkeit nicht punkten. Was aber, wenn ausgerechnet die vermeintlich bösen Rechtsaußen-Parteien von Georgia Meloni und Marine Le Pen mit ihren Erfolgen dafür sorgen könnten, dass die Brüsseler wirtschaftliche Interventionspolitik zurückgeht? Dass die Wettbewerbsfähigkeit wieder ein wenig zurückkehrt? Natürlich wäre das ein schwerer Schlag für das Weltbild vieler Beobachter. Es wäre jedenfalls ein schöner Treppenwitz der europäischen Geschichte: Ein Economical Deal 2025 von rechts.