Warum die Schule neun Wochen blau macht
Alexander Purger ist Redakteur der Salzburger Nachrichten und schreibt die satirische Kolumne „Purgertorium“. Er ist Autor mehrerer Bücher, darunter der Kanzlerbiografie „Wolfgang Schüssel – Offengelegt“.
Es gibt Dinge, die sind in Österreich in Stein gemeißelt. Zum Beispiel die Neutralität. Oder der Grundsatz, dass Reformen Teufelszeug sind. Oder dass die Landeshauptleute mit dem Bundeskanzler wedeln, niemals umgekehrt. Oder – besonders wichtig – die Dauer der Schulferien im Sommer.
Kann sich irgendjemand daran erinnern, dass jemals wer in Frage gestellt hätte, ob sich die Schüler das ganze Jahr über wirklich derartig anstrengen, dass sie abseits all der Weihnachts-, Energie-, Oster-, Pfingst-, Herbst- und sonstigen Ferien auch noch im Sommer neun Wochen Urlaub brauchen? Nein, es kann sich niemand erinnern. Denn die neun Wochen sind – siehe oben.
Aber warum ausgerechnet neun Wochen? Und warum neun Wochen in einer Wurscht? Könnte man das nicht besser aufs Jahr aufteilen? Nun, auf diese Fragen gibt es seit alters her eine ganz klare und einleuchtende Antwort: Es müssen die neun Wochen im Juli und August sein, weil das die Zeit der Heuernte ist. Und bei der wird jede Kinderhand gebraucht. Punkt.
Ah ja, richtig, werden Sie jetzt sagen, die Heuernte! Wie konnte man das nur vergessen! Die Heuernte, der wichtigste Wirtschaftszweig des Landes, käme ohne die helfenden Hände der einen Million Schulkinder völlig zum Erliegen. Wer sehenden Auges durch unsere blühenden Landschaften fährt, sieht ab Anfang Juli jeden Morgen eine Million Schulkinder in ihre zwei Millionen helfenden Kinderhände spucken, Sensen und Rechen schultern und im Frühtau zu Berge und Felde ziehen. Und das bis Anfang September. Dann ist die Heuernte eingebracht, auch die sonstige Feldarbeit ist erledigt und eine Million Schulkinder kehren erschöpft, aber zufrieden in ihre Klassenzimmer zurück. Deswegen neun Wochen.
Falls Sie nun meinen, dass es in Ihrem Bekanntenkreis auch Kinder gibt, die des Sommers keine Bergwiesen mähen, Kornmandl bauen und Heu einbringen, dann haben Sie vielleicht recht. Es soll tatsächlich Eltern geben, die ihren Nachwuchs der Landwirtschaft vorenthalten und dann natürlich die größten Probleme damit haben, was Sie mit den lieben Kleinen neun Wochen lang tun sollen. In den Sommerferien hat sich deshalb mittlerweile eine ganze Industrie für Mal- und Töpferkurse, Sportwochen, Segel- und Tenniscamps entwickelt. Die Museen überbieten einander förmlich in Kunstworkshops und Kreativcamps für nicht-mähende Kinder, und man braucht nicht dazu sagen, dass das die Eltern eine schöne Stange Geld kostet. Aber selber schuld. Sie könnten sich ja auch einen Acker oder eine Bergwiese anschaffen.