Wachstum verloren: Wenn der Standort ins Abseits gerät

27. August 2024Lesezeit: 3 Min.
Kommentar von Elisabeth Zehetner

Elisabeth Zehetner setzt sich seit mehr als 20 Jahren für innovative Initativen, junge Unternehmer:innen, Gründer:innen und Frauen in der Wirtschaft ein. Derzeit ist sie Geschäftsführerin von oecolution austria, der ersten Organisation in Österreich, die zeigt, dass wirtschaftlicher Erfolg und Wohlstand die besten Voraussetzungen für wirksamen Klimaschutz sind. 2024 erschien im ecowing-Verlag ihr erstes Buch „Im Namen des Klimas“.

Österreich steht wirtschaftlich an einem kritischen Wendepunkt, und aktuelle Prognosen zeichnen ein düsteres Bild für die Zukunft. Während andere europäische Länder sich auf moderates Wachstum einstellen können, droht Österreich mit einem prognostizierten BIP-Wachstum von nur 0,3 Prozent im Jahr 2024 den Anschluss zu verlieren. Diese alarmierende Stagnation ist ein Weckruf, den wir nicht ignorieren dürfen, wenn wir verhindern wollen, dass unser Land dauerhaft ins wirtschaftliche Abseits gerät.

Die Ursachen für diese Misere sind vielfältig. Hohe Lohnnebenkosten, erdrückende Bürokratie und sinkende Bruttoanlageinvestitionen – die im kommenden Jahr voraussichtlich um 2,2 Prozent zurückgehen werden, dem schwächsten Ergebnis in der gesamten EU – drücken die heimischen Unternehmen an den Rand ihrer Belastungsgrenze. Besonders die Industrie leidet unter hohen Produktionskosten und schwindender Wettbewerbsfähigkeit. Doch das sind nicht die einzigen Probleme: Geopolitische Spannungen und europäische Alleingänge, wie das Lieferkettengesetz, könnten die österreichische Wirtschaft zusätzlich belasten, indem sie Unternehmen und Investoren weiter verunsichern. Der Rückgang der Investitionen im Bausektor verdeutlicht die Schwere der Situation. Hohe Zinsen und gestiegene Baukosten bremsen die Bautätigkeit aus und gefährden so eine zentrale Stütze der Wirtschaft.

All diese Entwicklungen zeigen klar: Österreichs Wirtschaftsmodell droht zu erodieren, wenn nicht rasch gegengesteuert wird.

Die bevorstehenden Nationalratswahlen und der damit verbundene Wahlkampf kommen da leider zu einer Unzeit. Denn wenn sich Österreich in dieser kritischen Phase eines nicht leisten kann, dann ist es ein Stillstand in der Wirtschaftspolitik. Michael Häupl hat es einmal auf den Punkt gebracht: Wahlkampf ist die Zeit unfokussierter Unintelligenz – die Vergangenheit zeigt, dass er damit oft nicht ganz Unrecht hatte.

Dabei ist eine wirtschaftsfreundliche Politik nicht nur im Interesse der Unternehmen, sondern der gesamten Gesellschaft. Sie schafft den nötigen Spielraum für weitere wichtige Maßnahmen, insbesondere Zukunftsinvestitionen wie auch im Bereich des Klimaschutzes und der Klimaanpassung. Denn so sehr die Grünen ihre Regierungsbeteiligung auch als Erfolg für den Klimaschutz feiern, der Rückgang der Treibhausgasemissionen ist leider größtenteils auf die schwächelnde Wirtschaft zurückzuführen – und nicht auf sich gerne auf die Fahnen geheftete Symbolmaßnahmen wie Faltradförderungen oder das Gratis-Klimaticket für 18-Jährige. Maßnahmen, die allesamt populär sind, aber hauptsächlich das eigene Klientel, weit entfernt von sozial gestaffelt und treffsicher, bedienen. Ohne notwendige infrastrukturelle Investitionen, wie dem Ausbau der Energienetze, der leider nahezu komplett auf der Strecke geblieben ist, oder den Schienenausbau für den Güterverkehr, bleibt die grüne Transformation ein unerfülltes Versprechen, das später nur eine Anekdote in den Geschichtsbüchern sein wird.

Was Österreich jetzt braucht: Nach der Wahlentscheidung müssen die Regierungsverhandlungen rasch und entschlossen zum Abschluss gebracht werden, wobei die verhandelnden Parteien den Fokus besonders auf die Stärkung der Wirtschaft legen sollten. Die kommende Regierung muss wirtschaftsfreundlicher agieren als je zuvor und auch strukturelle Reformen angehen. Weniger Bürokratie, gezielte Steuererleichterungen und Investitionsanreize sind unerlässlich, um die Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen und den wirtschaftlichen Abwärtstrend zu stoppen. Denn wächst die Wirtschaft sprudeln auch die Einnahmen für den Staat, die wir für unsere soziale Absicherung genauso brauchen wie für Investitionen in Klimaschutz und Bildung und Forschung.

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