Vertrauen in die Wissenschaft: Warum nicht mit Skepsis?

17. Juni 2024Lesezeit: 3 Min.
Kommentar von Markus Hengstschläger

Der Genetiker Markus Hengstschläger ist Leiter des Instituts für Medizinische Genetik und Organisationseinheitsleiter des Zentrums für Pathobiochemie und Genetik an der Medizinischen Universität Wien und u.a. auch stellvertretender Vorsitzender der österreichischen Bioethikkommission, Aufsichtsratsvorsitzender der Gesellschaft für Forschungsförderung Niederösterreich, Kuratoriumsmitglied des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds und Gründer und Leiter des Symposiums „Impact Lech“.

Skeptisch zu sein inkludiert auch genau hinzuschauen, kritisch zu hinterfragen, abzuwägen und empfänglich für neue beziehungsweise andere Lösungen und Interpretationen zu bleiben. Dementsprechend vertragen sich Wissenschaft und Skepsis eigentlich nicht schlecht. Darum gefällt mir das Wort Wissenschaftsskepsis in dem Zusammenhang, in dem es in Österreich oft verwendet wird, auch nicht. Was aber, wenn Menschen der Wissenschaft anscheinend grundsätzlich ablehnend gegenüberstehen?

Neueste Untersuchungen zeigen, dass nicht wesentlich mehr oder weniger Menschen in Österreich der Wissenschaft ablehnend gegenüberstehen als das in vielen anderen Ländern der Fall ist. Aber es gibt einen „harten Kern“. Seit Studien nahelegen, dass dieser Kern aber nicht so groß sei, ist in diese Diskussion unglücklicherweise wieder etwas mehr Ruhe eingekehrt und leider auch etwas weniger Engagement. Dem Befund, dass man über „normale“ Wissenschaftskommunikation (was auch immer man darunter versteht) diesen Kern nicht erreichen kann, stimme ich vielleicht sogar zu. Aber was an mehr braucht es, um diesen Kern zu verkleinern und nicht Gefahr zu laufen, dass er größer wird?

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler müssen bereit sein, transparent den aktuellen Stand ihres Faches zu erklären. Um das gut zu können und dafür auch motiviert zu sein, muss ein flächendeckendes (vielleicht sogar in bestimmten Zusammenhängen und Positionen verpflichtendes) Medientrainings-Angebot ausgerollt werden und es braucht Konzepte, wie entsprechendes Engagement für die Wissenschaftskarriere an Relevanz gewinnen kann. Die Medien müssen den neuesten wissenschaftlichen Stand recherchieren können, verschiedene Meinungen einfließen lassen können und genügend Platz für die entsprechende Berichterstattung haben. Die Förderung von Wissenschaftsjournalismus – auf allen Ebenen von der Ausbildung bis zur täglichem Umsetzung – ist eine unverzichtbare Voraussetzung dafür, dass Wissenschaft einen hohen Stellenwert in der österreichischen Bevölkerung hat.

Als jemand der sowohl Grundlagenwissenschaft als auch angewandte Forschung betreibt, mache ich immer wieder die Erfahrung, dass der anwendbare Output von Forschung oft leichter verständlich gemacht werden kann. Da es aber das eine ohne das andere niemals geben kann und wird, brauchen wir beides, mehr Geld für die kompetitive Förderung der Grundlagenforschung und bessere Voraussetzungen für Firmengründungen, universitäre Spin-offs und Venture-Capital-Investitionen in Startups.

Unerfüllter Wunsch, zu den „Innovation Leaders“ zu gehören

Die aktuell wieder einmal laut gewordenen Bekundungen der Politik, dass es in der Tat „schön“ wäre, wenn der „Strong Innovator“ Österreich mit der dritthöchsten F&E-Quote der EU zu den Innovation-Leader-Ländern Dänemark, Schweden, Finnland, Niederlande und Belgien aufschließen würde, hören wir mittlerweile schon seit vielen Jahren ohne Effekt. Dieses Anliegen muss aus vielen Gründen zur Chefsache mit höchster Priorität im Land werden, auch wenn es vielleicht gar nicht so viele Wählerstimmen bringt. Es braucht einfach mehr Politik mit ehrlichem Interesse sowohl an der Wissenschaft in unserem Land als auch an der ethischen Diskussion betreffend Pros und Kontras.

Es tut sich gerade wirklich viel, besonders viel vielleicht sogar an der Schnittstelle von Genetik und künstlicher Intelligenz. Um entsprechende Rahmenbedingungen – unter anderem auch im rechtlichen Kontext – implementieren zu können, braucht die Politik Beratung z. B. von einer gestärkten, mit ausreichenden finanziellen und personellen Ressourcen ausgestatteten Bioethikkommission.

Von der Agilität und Robustheit dieser Interaktion von Wissenschaft, Medien und Politik wird es auch abhängen in wieweit es gelingen kann das Vertrauen in alle drei Bereiche auf höherem Niveau zu stabilisieren. Aus meiner Sicht ist dieses Bestreben alternativlos.

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