Das wohl skurrilste Wirtschafts-Märchen Österreichs

20. Mai 2024Lesezeit: 4 Min.
Sara Grasel Illustration
Kommentar von Sara Grasel

Sara Grasel ist Chefredakteurin von Selektiv. Sie ist seit fast 20 Jahren Wirtschaftsjournalistin mit Stationen bei „Die Presse“, Trending Topics und brutkasten. Zuletzt war sie Chefredakteurin der Magazine der Industriellenvereinigung.

In der politischen Kommunikation ist es oft wichtig, komplizierte Dinge einfach zu erklären. Dabei kommt es aber selten zu derart seltsamen Stilblüten, wie jener, mit der die SPÖ ins Pfingstwochenende ging. Das Kommunikationsteam hat ChatGPT bemüht, um ein Märchen von dem ratlosen König Karl und dem bösen Zauberer Knill schreiben und illustrieren zu lassen, die gemeinsam „die Wirtschaft und den Österrreicher (sic!) hin“ machen. Man weiß ja gar nicht, ob man lachen oder weinen soll. Und man weiß gar nicht, wie weit man ausholen soll, denn von politischen Parteien würde man ja fast einen vorbildhafteren Einsatz von Künstlicher Intelligenz erwarten als diesen. Skurril wird es aber beim Inhalt, den man in diesem Fall aus der politischen Vereinfachung und Überzeichnung zurückübersetzen muss, damit er überhaupt verständlich ist.

Das Märchen geht also so: Im Königreich (gemeint ist Österreich) ist alles super gelaufen, bis durch die Inflation Äpfel, Brot und Wohnen so teuer geworden sind, dass der hart schuftende Felix Österreicher verzweifelt zu König Karl (wohl Bundeskanzler Karl Nehammer) zieht. Der hört ihn aber nicht an und fragt stattdessen den bösen Zauberer Knill (wohl der Präsident der Industriellenvereinigung, Georg Knill) nach einer Lösung. Der meint, die Menschen müssen mehr arbeiten, weil sie dann weniger Zeit haben, Geld auszugeben und mit der niedrigeren Nachfrage die Inflation eindämmen. Das Leben wird dadurch so unerträglich, dass die Menschen aus dem Land wegziehen. Lösung bietet das Märchen keine, schließt aber mit dem Aufruf „Gemeinsam gegen länger (sic!) Arbeitszeiten kämpfen!“ Erstaunlich fast, dass in dem Märchen gar kein fauler Warren Buffett durch einen Geldspeicher schwimmt und kein schlauer Robin Hood für vermeintliche Gerechtigkeit sorgt.

Für wie dumm halten die Macher dieses Märchens die Wählerinnen und Wähler eigentlich? Das einfachste Prinzip, das wohl jeder versteht ist, dass Wohlstand durch Arbeit entsteht. Eigentlich logisch, dass wir nicht mit weniger Arbeit aus der wirtschaftlich schwierigen Zeit kommen werden. Laut EU-Frühjahrsprognose liegt Österreich heuer nicht nur bei der Inflation über dem EU-Schnitt, sondern leider auch beim Wirtschaftswachstum unter dem EU-Schnitt. Keine gute Kombination.

Inflation kann viele Ursachen haben. Zunächst wären da angebotsseitige Gründe, sie sorgen durch eine Verteuerung der Produktion für höhere Preise. Zum Beispiel durch höhere Energiepreise, die in Österreich aus verschiedenen Gründen stärker durchschlagen. Dazu zählen aber auch höhere Löhne. Hier wären wir schon bei der Entzauberung des Kerns des SPÖ-Märchens: Österreich (bzw. in dem Märchen wohl am ehesten König Karl) hat nämlich tatsächlich sehr viel getan, um die Folgen der Inflation auszugleichen und die Kaufkraft (auch die von Felix Österreicher) zu erhalten. Es gab (oft wenig zielgerichtete) Einmalzahlungen, Förderungen und Lohnabschlüsse deutlich über der Inflation.

„Inflation kann durch Verringerung der Nachfrage bekämpft werden“, brachte es das IHS zu Beginn der Inflationswelle bereits nüchtern auf den Punkt. Das ist natürlich kein so schönes Märchen, sondern die langweilige Realität. Es stimmt zwar, dass man politisch mehr tun könnte, aber die Lösung liegt nicht darin, noch mehr staatliches Geld locker zu machen. Ein Ansatzpunkt wären die vergleichsweise hohen Lohnnebenkosten, Steuern und Abgaben. Österreich hat nämlich kein Einnahmenproblem – bei der Abgabenquote liegen wir im EU-Vergleich auf Platz 4 – sondern eher ein Ausgabenproblem. Das bringt uns zum nächsten Punkt: Reformen im Föderalismus, Förderwesen, Gesundheitswesen oder Pensionssystem, auch, um Spielräume für Klimawandel, demografische Entwicklung und Digitalisierung zu schaffen. Das ist aber viel zu kompliziert für die Märchenwelt.

Quelle: Zum KI-Märchen der SPÖ.

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