Wir müssen nicht nur 6,4 Mrd. Euro sparen!
Sara Grasel ist Chefredakteurin von Selektiv. Sie ist seit fast 20 Jahren Wirtschaftsjournalistin mit Stationen bei „Die Presse“, Trending Topics und brutkasten. Zuletzt war sie Chefredakteurin der Magazine der Industriellenvereinigung.
Die Genese der Reaktionen auf das heimische Budgetdefizit ist eigentlich eine interessante Sache. Im Wahlkampf war das Thema unpraktisch, eh klar. Dann waren alle total überrascht („Natürlich wussten wir, dass es ein Problem gibt, aber das Ausmaß war dann schon überraschend“), gefolgt von gegenseitigen Schuldzuweisungen von „Koste es was es wolle“-Vorwürfen bis hin zur Idee, dass ein Rechenfehler des Wifo schuld sein könnte. Dann zuversichtlicher Pragmatismus: „Na 6,4 Milliarden Euro werden sich schon finden lassen, das kann ja nicht so schwer sein“. Wagen wir eine vorsichtige Prognose für die nahe Zukunft, in der wieder alle überrascht sein könnten, denn natürlich müssen nicht „nur“ 6,4 Milliarden Euro gespart werden.
Zur Erinnerung: Es geht um 18,1 Milliarden Euro, wenn wir sieben Jahre lang konsolidieren ohne EU-Defizitverfahren. Und wer weiß, ob der Sparbedarf nicht noch größer wird – vor allem, wenn wir das hauchdünne Wirtschaftswachstum verspielen, das für heuer prognostiziert wurde. Und ganz nebenbei: Die EU-Kommission ist in Bezug auf unseren Konsolidierungsbedarf von einem Defizit für 2025 von 3,9 Prozent ausgegangen. Das Wifo hatte in seiner Prognose vom Dezember aber auch schon 4,2 Prozent ins Spiel gebracht. ÖGB-Chefökonomin Helene Schuberth hat in dieser Hinsicht gestern bereits Zweifel an den aktuell kursierenden Zahlen angemeldet.
Jetzt kann man aber bei einigen bereits durchgesickerten Konsolidierungsideen nur hoffen, dass sie eher temporär gedacht sind – wie etwa das Aussetzen der Aufwertung der Pensionskonten, also eine Kürzung künftiger Pensionen, oder die Sonderdividenden der Staatsbeteiligungen. Ob solche Einmalmaßnahmen wirklich für eine nachhaltige Sanierung sorgen, sei schon mal dahingestellt. Besonders die Sonderdividenden sollten aber ein erster Hinweis sein, dass zwar immer wieder betont wird, ausgabenseitig zu sparen und keine höheren Steuern zulassen zu wollen. Nach Klimabonus und Bildungskarenz scheinen den Verantwortlichen nur leider langsam die konsensfähigen Ideen dazu auszugehen.
Also gibt es im schlimmsten Fall zwei Möglichkeiten: Entweder die temporären Maßnahmen sind gekommen, um zu bleiben, oder wir können uns in den kommenden Jahren auf eine Aneinanderreihung temporärer Solidaritätsbeiträge mit unterschiedlichsten Mascherln freuen. Einen Vorgeschmack hat Wifo-Chef Gabriel Felbermayr bereits im ORF gegeben – wie wäre es zum Beispiel mit einer „temporären“ Einkommensteuererhöhung für „Gutverdiener“? Eine andere Idee, die immer wieder herumgeistert, wäre auch ein Aussetzen der (Teil-)Abschaffung der kalten Progression. Das wäre dann die Rücknahme einer der größten steuerpolitischen Errungenschaften der letzten Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. 2026 werden wir jedenfalls (mindestens) 2,4 Milliarden Euro irgendwo und irgendwie „finden“ müssen, wie im 7-jährigen Konsolidierungspfad vorgesehen.