Schätze der Zukunft: Das problematische „Nein“ zu Rohstoffen

29. Juli 2024Lesezeit: 3 Min.
Kommentar von Elisabeth Zehetner

Elisabeth Zehetner setzt sich seit mehr als 20 Jahren für innovative Initativen, junge Unternehmer:innen, Gründer:innen und Frauen in der Wirtschaft ein. Derzeit ist sie Geschäftsführerin von oecolution austria, der ersten Organisation in Österreich, die zeigt, dass wirtschaftlicher Erfolg und Wohlstand die besten Voraussetzungen für wirksamen Klimaschutz sind. 2024 erschien im ecowing-Verlag ihr erstes Buch „Im Namen des Klimas“.

Europas und insbesondere Österreichs historische Abhängigkeit von russischem Erdgas war und ist unbestritten ein Problem. Unsere künftige Abhängigkeit von China etwa bei Seltenen Erden, Lithium und Nickel könnte noch ein viel größeres Problem werden. Denn bei all diesen Rohstoffen, die wir für die Energiewende dringend brauchen, haben wir keine relevanten Produktionskapazitäten in Europa.

Tatsache ist: Der Energiesektor entwickelt sich zu einer wichtigen Kraft auf den Mineralienmärkten. Für die Stromerzeugung mit Wind und Sonne werden pro Megawatt deutlich mehr Metalle benötigt, als etwa bei einem Gaskraftwerk. Wird für ein Gaskraftwerk gut eine Tonne Metall (ohne Stahl) verbaut, sind es bei einem Solarpark rund sechs Tonnen pro Megawatt und bei einem Offshore-Windpark rund 16 Tonnen. Elektroautos enthalten sechsmal mehr Metalle (ohne Stahl) als ein Auto mit Verbrennungsmotor.

Bisher haben wir nicht viel getan, um unsere internationale Abhängigkeit bei Energiewende-Rohstoffen in Angriff zu nehmen. Im Gegenteil: Die Abhängigkeit von China wird konsequent fortgeschrieben – etwa mit der Verhinderung des Mercosur-Freihandelsabkommen mit Südamerika. Dabei sind die Mercosur-Staaten ein wichtiger Rohstofflieferant für die Energiewende. Chile ist der zweitgrößte Lithiumproduzent der Welt und verfügt über etwa 7,5 Millionen Tonnen Lithiumressourcen. Auch Argentinien hat bedeutende Vorkommen an Mineralien wie Kupfer, Lithium, Gold, Silber und Zink. Brasilien verfügt über Hafnium, Magnesium, Niobium, Silicium Metall und seltene Erden. Wie gesagt: Mit dem Nein zu Mercosur sagen wir auch dazu Nein.

Anderes Beispiel für unsere Realitätsverweigerung: Wer Rohstoffe oder Wasserstoff aus dem globalen Süden nutzen will, muss mit moralischer Verurteilung als »moderner Kolonialist« rechnen. Handels- und Rohstoffabkommen werden als »Ausbeutung« abgelehnt. Und nicht zuletzt: Auch eigene Rohstoffe wollen wir nicht nutzen. Wie etwa die Lithiumreserven in der Koralpe – das natürlich aus Gründen des Natur- und Umweltschutzes. Da beißt sich die Katze endgültig in den Schwanz. Denn egal, ob Windrad, Photovoltaikanlage oder E-Auto-Batterie: Ohne entsprechende Rohstoffe wird es keine Energiewende geben können.

Wenn es um die für die Energiewende notwendigen Schätze der Zukunft geht, müssen wir aber auch verstärkt an die Potenziale der Kreislaufwirtschaft denken. Was früher Abfall oder Problemstoff war bzw. ist, wird künftig wertvolle Ressource sein. Das gilt auch für CO2. Kohlenstoffabscheidung und -nutzung (CCU) zielt auf die Wiederverwendung des erfassten Kohlenstoffs ab – zum Beispiel in der Düngung. CCU kann den Einsatz fossiler Brennstoffe reduzieren und somit Emissionen reduzieren. Zwar mahnen grüne Kritiker, dass der Großteil des erfassten Kohlenstoffs in der Regel nicht dauerhaft gespeichert wird, doch wenn der Kohlenstoff im geschlossenen Kreislauf geführt wird, ist CCU mit einem echten Entfernen des CO2 gleichzusetzen. Um die Wahrnehmung von CO2 und C als wertvolle Ressource zu unterstützen, braucht es auch ein entsprechendes regulatorisches Mindset. Die Anerkennung von CO2 und C als wertvoller Rohstoff sollte in allen relevanten nationalen und europäischen Gesetzestexten verankert werden. Diese rechtliche Neubewertung soll die Nutzung von CO2 und C in verschiedenen Industriezweigen fördern und die Entwicklung von Technologien zur CO2-Verwertung unterstützen.

In diesem Sinn: Geben wir den Schätzen der Zukunft, die wir für die Energiewende brauchen, mehr Zukunft – auch und gerade in der Politik. Mehr Unabhängigkeit bei Rohstoffen, bilaterale und multilaterale Abkommen für Importe, die Nutzung eigener Rohstoff-Potenziale, die bessere Nutzung von Abfall und Problemstoffen und Technologieoffenheit sind dafür die richtigen Wege, die wir endlich konsequent gehen müssen.

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