Lunch mit Rainer Nowak

Rudas: „Die SPÖ darf jetzt nicht den Fehler wiederholen und sich aus dem Spiel nehmen“

30. September 2024Lesezeit: 4 Min.
Kommentar von Rainer Nowak

Rainer Nowak ist österreichischer Journalist und Ressortleiter für Wirtschaft und Politik bei der „Kronen Zeitung“. Zuvor war Nowak Chefredakteur, Herausgeber und Geschäftsführer der Tageszeitung „Die Presse“.

Andreas Rudas kennt das Land wie kein Zweiter, Andreas Rudas kennt die SPÖ wie kein Zweiter. Er war Bundesgeschäftsführer der Partei in den späten 1990ern. Er war einer der ersten Spin-Doctoren des Landes, wie Strategieberater und Message-Control-Spezialisten damals hießen. Er war davor ORF-Generalsekretär und Pressesprecher gewesen, er ist bis heute mit Gerhard Zeiler in engster Verbindung. Später ging er als Vorstand zu Magna, noch später in Geschäftsführerfunktionen der WAZ-Gruppe, die Anteile an der Krone hielt. Weiter ging es zu RTL in den Vorstand. Mit 70 berät er heute bei Arthur D. Little internationale Unternehmen. Seine Analysen sind messerscharf und er ist von ausgesuchter Höflichkeit und Gelassenheit. Die leicht überforderte Kellnerin verwickelt er gekonnt in ein freundliches Gespräch über ihre Heimatstadt Kuala Lumpur und schafft es tatsächlich, dass ihre Nervosität angesichts meiner mühsamen Fragen wieder abnimmt. 

Wir sind am Vorabend der Wahl zum späten Lunch in dem spätsommerlich sonnenbeschienen Schanigarten des riesigen Hotelrestaurants Elstar verabredet. Ich hatte gelesen, dass es in dem Lokal des neu renovierten Hotels „Imperial Riding School“ die beste osteuropäische Küche der Stadt unter Chef Sandro Balogh gibt. Die Speisekarte weiß davon offenbar nichts, wir bestellen Frittatensuppe (zu blass), Schnitzel (gut) und Burger (sehr gut, nur was macht der Antipasti-Paprika drinnen?) und reden endlich über die SPÖ.

Andreas Rudas war natürlich dabei, als Viktor Klima 1999 die Wahlen zwar mit Platz eins „gewonnen“ hatte, aber herbe Verluste hinnehmen musste. Geschwächt und intern unter Druck ließ sich für die SPÖ-Führung kein belastbares Regierungsprogramm mit der ÖVP (Platz drei damals) aushandeln, das alle unterschreiben konnten. Die ÖVP hatte da längst mit der FPÖ im Geheimen eine Einigung erzielt, Wolfgang Schüssel wurde mit und von der FPÖ zum Kanzler gekürt. Trotz Oppositionsansage im Wahlkampf für den Fall des dritten Platzes. Die SPÖ landete dafür dort, Viktor Klima und die Seinen mussten gehen. Rudas: „Ich habe den Eindruck, dass die SPÖ heute den gleichen Fehler macht wie damals.“ Nämlich? „Sich aus der Regierung rauszunehmen. Der ÖVP noch Argumente zu liefern, eine schwarz-blaue Regierung zu bauen.“ Soll heißen: Inhaltlich solch hohe Mauern zu errichten, die in Verhandlungen nicht mehr überwindbar sind, Stichwort Vermögens- und Erbschaftssteuer. Das würde die ÖVP in die Arme der FPÖ treiben, die ihr Wahlprogramm schon auf die möglichen Verhandlungen mit der ÖVP ausgerichtet hat, so formuliert, dass die gemeinsame Schnittmenge kaum größer sein könnte. 

Rudas versteht daher die Taktik Bablers nicht: „Nehmen wir das TV-Duell mit Karl Nehammer: Warum er den Kanzler so attackiert hat, ist mir nicht nachvollziehbar. Der ist der einzige, mit dem die SPÖ regieren könnte.“ Vielleicht will da wer in Opposition? Rudas löffelt die Frittatensuppe aus. „Damals waren einige daran interessiert, in die Opposition zu gehen. Für die Wiener SPÖ hat es sich sogar ausgezahlt, die haben später einen überwältigenden Wahlsieg in Wien gegen den Bund erzielt.“ Aber traut er das Michael Ludwig zu, dass er das auch will? „Sicher nicht, die überwiegende Mehrheit der Wiener SPÖ und der FSG wissen, dass die Bundespartei eine Oppositionszeit von noch einmal fünf Jahren nicht überleben wird.“ Unter Babler ist die SPÖ von der Mitte nach links abgebogen, die in England siegreiche Labour hat das Gegenteil gemacht und war nun erfolgreich. Rudas: „Es gibt wesentliche Unterschiede zwischen der Labour-Party und der Sozialdemokratischen Partei Österreichs. Ja, die Labour-Party kommt von links und ist nun in der Mitte der politischen Landschaft, bei uns ist das ganz andersherum. Die Labour-Party hat sogar Jeremy Corbyn aus der Partei ausgeschlossen, der für viele in der SPÖ noch immer ein politisches Vorbild ist. 

In der SPÖ wurde der Linksruck nie breit diskutiert, sondern hat sich mit der Wahl des Parteichefs so ergeben. „Ja, das ist en passant passiert. Ich glaube nebenbei, dass Pamela Rendi-Wagner einen schweren taktischen Fehler gemacht hat, nämlich als Parteivorsitzende auf einen internen Wahlkampf zu verzichten.“

Rudas richtet einen klaren Appell an die SPÖ-Führung: „Babler und die gesamte Parteiführung müssen sich bewegen. Angesichts der gewaltigen wirtschaftlichen Herausforderungen ,vor denen Österreich steht, müssen die beiden staatstragenden Parteien zusammenarbeiten. Die Zukunft Österreichs hängt davon ab.“Aber er räumt ein: „Nun wird Mikado gespielt. Aber es darf nicht zu lange dauern.“ So wie unser Lunch.  Der war ok, aber da geht sicher noch mehr. Wie in Österreich.

Lunch mit Rainer Nowak

Rainer Nowak verbindet für diese Kolumne zwei Leidenschaften: Gute Gespräche mit spannenden Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft und gutes Essen in angesagten Neuentdeckungen und Restaurant-Klassikern.

Diesmal im Elstar Restaurant
Ungargasse 60
1030 Wien
Zum Restaurant

Das Elstar in der Imperial Riding School in Wien © Cathrine Stukhard
Das Elstar in der Imperial Riding School in Wien © Cathrine Stukhard

Meistgelesene Artikel