Regierungsverhandlungen ab jetzt im „Focus Mode“
Georg Renner ist freier Journalist in Niederösterreich und Wien mit Fokus auf Sachpolitik. Er publiziert unter anderem für „Datum“ und „WZ“, zuvor war er nach Stationen bei der „Presse“, „NZZ.at“ und „Addendum“ Innenpolitikchef der „Kleine Zeitung“.
Jetzt sind sie also da: Rund 400 Seiten programmatischer Ideen, auf die sich die Verhandler von ÖVP, SPÖ und Neos in 33 Untergruppen verständigt haben, haben ihren Weg in die oberste Entscheidungsebene gefunden. Zwischen den Jahren werden die Parteichefs jetzt darüber meditieren, über Wünsche nach einer Kindergrundsicherung, Steuererleichterungen und -erhöhungen, Entbürokratisierung oder einem bundesweiten „Chancenindex“ für die Schulen und vielem mehr brüten und weiterverhandeln.
Die schiere Masse an Ideen, was die Republik in den nächsten Jahren alles tun und lassen sollte, ist die logische Folge davon, dass da einerseits drei doch recht unterschiedliche Partner zusammensitzen – und die, andererseits, jene Brainstorming-Methode gewählt haben, die Kollege Nowak an dieser Stelle als „offenen und unmoderierten Sesselkreis-Prozess“ bezeichnet hat: Wenn jeder mitreden darf, dann redet eben tatsächlich auch jeder mit.
Jetzt kann man das auf der einen Seite schon verstehen: Gerade bei einem schon seiner Natur nach volatilen Dreiergespann ist es sinnvoll, gleich zu Beginn alle Wünsche und Erwartungen abzuholen und abzuklären, was in dieser potenziellen Partnerschaft geht und was nicht. Solle dann niemand kommen und sagen, „Ah ja, und dieses Projekt wollten wir eigentlich auch noch angehen“, wenn man schon fix verbandelt ist.
Recht viel mehr als so eine Potenzialliste sollten diese 400 Seiten aber nicht sein. Denn jetzt, in den nächsten Tagen und Wochen auf Parteichefebene wäre absoluter Fokus auf jene zwei Themen angesagt, die alle anderen überschatten: Wie man die Budgets einigermaßen zurück ins Lot bringt – und wie man die Wirtschaft wieder ins Wachsen bringt.
Das ist kein frommer Wunsch eines Neoliberalen – ein solides Budget und eine prosperierende Wirtschaft sind nur einfach die Voraussetzung für alles andere, was der Staat tun und leisten kann. Das Geld, das er ausgibt, muss zuerst einmal erwirtschaftet werden, und auch die Kreditwürdigkeit, mit der sich Österreich Geld leihen kann, muss es sich verdienen.
Daher sollten die Parteispitzen jetzt, wo auch die (traurige) Budgetlage geklärt ist, in den absoluten focus mode gehen – und alles von den Programmwünschen weglassen, was nicht unmittelbar das Defizit reduziert und/oder Wachstum begünstigt. Das wird nicht leicht werden – alle Parteien haben im Wahlkampf mehr versprochen, als die Republik sich realistischerweise leisten sollte.
Aber verantwortungsvolle Politik heißt eben nicht nur, allen – „koste es, was es wolle“ – alle Wünsche zu erfüllen. Danke, das hatten wir gerade zur Genüge. Es wird die kommenden Jahre darum gehen, sich wieder Spielraum zu erarbeiten. Wenn das gelungen ist, dann kann man noch immer seine Prestigeprojekte umsetzen.
Daher, step by step: Jetzt einmal voller Fokus auf ein ausgeglichenes Budget und Wachstum – und dann, wenn wir es uns wieder leisten können, gerne Diskussion darüber, wie wir diesen Spielraum nutzen.