Nach dem Hochwasser kommt die Gießkanne

26. September 2024Lesezeit: 3 Min.
Kommentar von Georg Renner

Georg Renner ist freier Journalist in Niederösterreich und Wien mit Fokus auf Sachpolitik. Er publiziert unter anderem für „Datum“ und „WZ“, zuvor war er nach Stationen bei der „Presse“, „NZZ.at“ und „Addendum“ Innenpolitikchef der „Kleine Zeitung“.

Die türkis-grüne Legislaturperiode endet, wie sie über weite Teile verlaufen ist: Mit der ganz großen Fördergießkanne. Nach der Hochwasserkatastrophe in Niederösterreich hat die Bundesregierung dem Land zugesagt, so viel Geld zu überweisen, dass es Opfern statt bisher 20 Prozent der anerkannten Schadensummen 50 Prozent abdecken kann, in Härtefällen sogar bis zu 80 Prozent.

Das ist sicher gut gemeint und hat rein gar nichts damit zu tun, dass diese Woche ein neuer Nationalrat gewählt wird und Niederösterreich mit großem Abstand das Land mit den meisten Wählerinnen und Wählern ist. Und, ja, um das klar zu machen: Es ist sinnvoll, dass die Solidargemeinschaft bei existenzgefährdeten Katastrophen hilft.

Aber ein wenig hinterfragen darf und muss man das bei dem inferioren Zustand der Staatsfinanzen dann doch: Wir leben gerade in der längsten Rezession seit dem zweiten Weltkrieg, haben infolge der gerade halbwegs bewältigten Krisen einen höheren Schuldenberg als je zuvor und steuern mit der Pensionierung der Boomergeneration auf ein demographisches Desaster zu. Das jährliche Budgetdefizit wird – entgegen EU-Vorgaben – noch auf Jahre nicht unter Kontrolle kommen, allein dieses Jahr plant der Bund bei Einnahmen von 100 Milliarden Euro Ausgaben von 120 Milliarden. Und das nur, wenn alles gut geht.

Die nächste Regierung, wie immer sie ausschauen wird, wird alle Hände voll zu tun haben, gegenzusteuern, mit einem Paket, das den Kreis quadrieren wird müssen, gleichzeitig die Staatsausgaben zu bremsen und die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Und das bei einer international herausfordernden Lage.

Niemand will, schon gar nicht vor der Wahl, derjenige sein, der den Betroffenen – ich zähle ja selber dazu – sagt: sorry, mehr als 20 Prozent haben wir nicht für euch. Aber ehrlicherweise ist es nicht nur unfair jenen gegenüber, die in den vergangenen Jahren von Katastrophen betroffen waren und nur die 20 Prozent vom Staat bekommen haben – es ist auch verantwortungslos künftigen Generationen gegenüber, die diese Summen abstottern werden müssen, für die die Gießkanne jetzt weit gestellt wird.

Klar: Wer wirklich vor dem Nichts steht, wer – wie etliche Bauern im Tullnerfeld zum Beispiel, oder Pensionistinnen im Kamptal – sein ganzes Vermögen in den Fluten verloren hat, dem sollte der Staat als Solidargemeinschaft unter die Arme greifen, wieder auf die Beine zu kommen, gerne auch mit bis zu 100 Prozent der Kosten.

Aber die überwiegende Mehrzahl der Betroffenen haben eben keine Totalschäden – sondern feuchte Keller, ein paar kaputte Geräte und Möbel. Das ist tragisch und belastend – aber ist es wirklich Aufgabe des Staates, hier bei allen und jedem für die Hälfte der Kosten aufzukommen? Nämlich nicht nur bei jenen, die das vor existenzielle Sorgen stellt, sondern auch dort, wo es genug Ersparnisse und Einkommen gibt, das aus eigener Kraft zu ersetzen?

Der scheidende Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) hat im März davon gesprochen, man müsse endlich wegkommen vom Nanny-Staat, der seinen Bürgern jede Unbill abnehme. Jetzt, nach dem Hochwasser und unmittelbar vor der Wahl, ist von solchen Tönen nichts zu hören.

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