Leitfaden für eine endlose Regierungsbildung

23. Oktober 2024Lesezeit: 4 Min.
Alexander Purger Illustration
Kommentar von Alexander Purger

Alexander Purger ist Redakteur der Salzburger Nachrichten und schreibt die satirische Kolumne „Purgertorium“. Er ist Autor mehrerer Bücher, darunter der Kanzlerbiografie „Wolfgang Schüssel – Offengelegt“.

Mehr als drei Wochen sind seit der Nationalratswahl Ende September vergangen und geschehen ist seither nichts. Das ist gut, kann aber erst der Anfang sein. Es muss noch viel, viel mehr Zeit verplempert werden. Mit ein bisschen gutem Willen kann das auch gelingen, wenn man folgendes Zehn-Punkte-Programm verfolgt:

1. Sich gegenseitig auf die Palme bringen!

Eine gute Verzögerung der Regierungsbildung beginnt schon lange vor der Wahl. Man führe den Wahlkampf so untergriffig, dass man damit alle Konkurrenten auf die Palme bringt. Je höher, desto besser. Denn umso länger brauchen alle nach der Wahl, bis sie wieder von den Bäumen gestiegen sind und miteinander reden können.

2. Sich einbetonieren!

Ebenfalls schon vor der Wahl sollte man unumstößliche Koalitionsbedingungen personeller und inhaltlicher Natur nennen, die kein Partner erfüllen kann. Damit ist vorgesorgt, dass die Koalitionsverhandlungen endlos dauern.

3. Alles versprechen!

Die dritte Hausaufgabe, die schon vor der Wahl zu erledigen ist, betrifft das Formulieren sündteurer Wahlversprechen. Angesichts eines Schuldenstandes von fast 400 Milliarden Euro sorgt man damit dafür, dass nach der Wahl ewig die Köpfe rauchen, wie man das alles finanzieren soll (oder wie man die eigenen Versprechen vergessen machen kann).

4. Weiter schimpfen, was das Zeug hält!

Damit zu der Zeit nach der Wahl: Die im Wahlkampf so klug begonnenen Schimpfkanonaden müssen auch danach unbedingt fortgesetzt werden. So ist es beispielsweise überaus zielführend, als Wahlsieger den Bundespräsidenten ohne Unterlass anzufeinden. Dann bekommt man von ihm garantiert nicht den Auftrag zur Regierungsbildung, was die ganze Angelegenheit wunderschön in die Länge zieht.

5. Um Himmels Willen kein Vertrauen zueinander aufbauen!

Das beste Mittel, um ein hohes Maß an gegenseitigem Misstrauen aufrecht zu erhalten, ist es, den Inhalt vertraulicher Gespräche umgehend nach außen zu tragen. Das ist der ideale Weg, um alle weiteren Gespräche sinnlos zu machen.

6. Alle modernen Kommunikationsmittel seit Erfindung der Brieftaube vergessen!

Viel Zeit kann man verbrauchen, indem man auf Telefon, Videokonferenz und E-Mail verzichtet. Am Besten so vorgehen wie in der Steinzeit: Wenn man mit drei Leuten reden will, macht man sich umständlich getrennte Termine mit ihnen aus, redet dann einzeln mit ihnen, schläft einmal drüber, was man gehört hat, lädt die drei dann neuerlich ein und so weiter. So bringt man locker ein paar Wochen hin.

7. Fordern, fordern, fordern!

Auch von außen kann man mithelfen, die Regierungsverhandlungen bis zum St. Nimmerleinstag auszudehnen. Jede Interessensvertretung muss zu diesem Zweck möglichst kostspielige Forderungen an die künftige Regierung richten. Unmögliches muss dabei als absolut unverzichtbar dargestellt werden. Man hängt den Regierungsverhandlern damit einen Rucksack um, den sie unmöglich schleppen können.

8. Reformen skandalisieren!

Ebenfalls eine Hilfsmaßnahme von außen ist es, jegliche Reform und jegliche Änderung des Status Quo so skandalisieren und die Bürger dagegen aufzuhetzen. Ein Beispiel kann man sich an Niederösterreich nehmen: Dort wird schon das Nachdenken darüber, ob ein Bundesland 27 (!) Spitäler braucht, zum Skandal erklärt. Das müsste doch überall und in jedem Bereich möglich sein, oder?

9. Kompromisse verachten!

Einen Beitrag zur Verzögerung der Regierungsbildung können auch die Medien leisten. Und zwar, indem sie Kompromisse, ohne die bekanntlich keine Koalitionsbildung möglich ist, generell als „faul“ deklarieren und darüber philosophieren, warum sich wer nicht durchsetzen konnte und wer wen über den Tisch gezogen hat. Das setzt die Regierungsverhandler sehr schön unter Druck.

10. Landtagswahlen abwarten!

Der letzte Rat richtet sich wieder an die beteiligten Parteien selbst. Sie sind gut beraten, mit dem Abschluss ihrer Koalitionsverhandlungen zu warten, bis wichtige Landtagswahlen geschlagen sind. Und wichtig sind nicht nur die steirischen Wahlen im November und die burgenländischen Wahlen im Jänner, sondern vor allem die Wiener Wahlen im nächsten Oktober. Bis zu ihnen könnte man mit der Regierungsbildung schon zuwarten, oder?