Kickl lässt laute Dissonanzen befürchten

10. Januar 2025Lesezeit: 4 Min.
Kommentar von Gerhard Jelinek

Gerhard Jelinek ist ein österreichischer Journalist, Fernsehmoderator und Buchautor. Der Jurist und erfahrene Journalist gestaltete rund 70 politische und zeitgeschichtliche Dokumentationen und Porträts.

Der Ton macht die Musik. Gilt das alte Sprichwort, dann wird eine allfällige blau-schwarze Regierung keinen harmonischen Chor abgeben. Die erste Wortmeldung des nun endlich offiziell mit der Regierungsbildung beauftragten FPÖ-Chefs Herbert Kickl, lässt laute Dissonanzen befürchten.

Wer geglaubt hat, dass Herbert Kickl in neuer Rolle auch zu neuen Umgangsformen finden könnte, hat geirrt. Der „Volkskanzler“ in spe attackierte seinen vielleicht künftigen Partner in voller Oppositionsschärfe. Da brauchte es gar keine Zwischentöne. Von Respekt gegenüber seinem möglichen Koalitionspartner oder von einer gewissen Demut vor dem Amt und der schwierigen Aufgabe war nichts zu hören und zu sehen. Kickl unterschied sich in seiner ersten Stellungnahme – nach der keine Fragen erlaubt waren – kaum von SPÖ-Chef Babler, als ob der Wahlkampf nicht längst vorbei (und ein neuer schon begonnen) wäre, freilich auf sprachlich und intellektuell anderem Niveau.

Aber sei’s drum, vielleicht war das für seine Psyche (und die seiner Gefolgschaft) notwendig, wenn es nur bei den jetzt ja laufenden Gesprächen zivilisierter zugehen sollte. Christian Stocker, sein auserwählter Regierungspartner von der ÖVP ließ in einer Antwort darauf die lauten Töne Kickls abperlen. Sein Gemüt sei von Natur aus „kühl“ und nicht hitzig.

Und Stocker sagte auch klar, welche Wege er keinesfalls gehen werde und welche Markierungen einzuhalten seien: Österreichs klares Bekenntnis zur Europäischen Union, zur Souveränität und zur Sicherheit in europäischer Zusammenarbeit.

Von gemeinsamen „Leuchturm-Projekten“ war bei Kickl (und bei Stocker) keine Rede. Auch inhaltliche Vorstellungen ließ er vermissen.

Gut, war vielleicht zu früh.

Ein Binnenland braucht keine Leuchttürme. Es reicht ein Ziel und der Weg dorthin. Wegweiser sind im ausgesetzten Gelände gelegentlich sinnvoll. Der FPÖ-Chef griff selbst auf solche alpinen Metaphern zurück. Und Bergkameraden tun sich leichter, wenn sie sich auf ein gemeinsames Ziel einigen und dafür auch noch die notwendige Kondition haben. Und der Bergführer sollte seine Seilschaften nicht überfordern. Kameradschaft hat auch etwas mit Rücksichtnahme und wechselseitiger Empathie zu tun. Das Vertrauen in den Bergführer ist nicht besonders groß. Er ist in der Vergangenheit oft hart an den Rand des Gangbaren geklettert und hat sich auch verstiegen. Daran ändert auch lauter Applaus mancher Zuseher im Tal nichts.

Nur eine Minderheit der Wählerinnen und Wähler hat sich diese nun verbliebene Wandergruppe gewünscht. Das kann sich rasch ändern, wenn sie vernünftige Ziele findet und den richtigen Weg dorthin geht.

Die globale Wetterlage lässt heftigen Gegenwind erwarten, auch Unwetter können nicht ausgeschlossen werden. Und mit Proviant muss gespart werden. Unsere Koalitionskletterer werden bald ins Schwitzen kommen, müssen auf Stolpersteine und versteckte Wurzeln achten. Nicht so trittfeste Wanderer können da ins Straucheln kommen. Zurufe vom Wegesrand wird es eine Menge geben. Die „Omas gegen rechts“ haben ihre Trillerpfeiffen schon ausgepackt. Das Echo vervielfacht diese. So ist das bei uns in den Bergen.

Die blau-schwarzen Koalitionäre (so das etwas wird) müssen nicht großspurig von „Achttausendern“ träumen, sondern zunächst den Hausberg erklimmen, nicht um herunterzublicken, sondern um den weiten Horizont zu genießen, Österreich wieder im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig zu machen, nicht dauernd mehr auszugeben, als man verdient. Es sollte endlich das umgesetzt werden, was seit Jahrzehnten versprochen wird. Keine neuen Belastungen, sinnlose Bürokratie abbauen, endlich das Pensionsantrittsalter an die gestiegene Lebenserwartung anpassen, Leistung im Bildungssystem einfordern und den Einsatz der Steuermittel am Ergebnis überprüfen. Es braucht keine Überschriften und Programm-Lyrik. Es liegt alles am Tisch, es muss endlich umgesetzt werden. Das gilt für die produzierende Wirtschaft, die Ausbildung, die Gesundheitsvorsorge aber auch für das, was unser größtes Kapital ist, die Schönheit des Landes, die Qualität der kulturellen Leistungen, die Klugheit der hier lebenden Menschen, die Friedfertigkeit und die Sicherheit, die Offenheit und Toleranz, aber auch das Wissen um das, was uns ausmacht.