KI oder MU, das ist in diesem Wahlkampf die Frage

27. September 2024Lesezeit: 3 Min.
Alexander Purger Illustration
Kommentar von Alexander Purger

Alexander Purger ist Redakteur der Salzburger Nachrichten und schreibt die satirische Kolumne „Purgertorium“. Er ist Autor mehrerer Bücher, darunter der Kanzlerbiografie „Wolfgang Schüssel – Offengelegt“.

KI in der Schule, KI in der Wirtschaft, KI im Journalismus – die künstliche Intelligenz ist in aller Munde und wird bald auch in aller Gehirne sein. Was zur Frage führt, ob sie wohl auch in diesem Wahlkampf, der sich nun langsam seinem wohlverdienten Ende zuneigt, eine Rolle gespielt hat? Na, ganz eindeutig! Der geballte Geist des computergestützten Weltwissens muss in pfingstlichen Flammenzungen auf die Wahlkämpfer herabgeströmt sein. Anders ist die intellektuelle Güte der Wahlwerbung und Wahlaussagen gar nicht zu erklären. Da braucht man sich nur die Sprüche auf den Plakaten anzusehen: „Klima oder Krise“, „Mit Herz und Hirn“, „Ihr seid der Chef, ich euer Werkzeug“. – So etwas kann nur die KI. Das wäre der MU, der menschlichen Unintelligenz, nie eingefallen.

Auch die NI, die natürliche Intelligenz, wäre überfordert gewesen, hätte sie die Wahlversprechen der Parteien formulieren müssen. Denn die NI hätte sich gesagt, dass man sich angesichts von 380 Milliarden Euro Staatsschulden und einer jährlichen Neuverschuldung von 20 Milliarden Euro mit kostspieligen Wahlzuckerln vielleicht etwas zurückhalten sollte. Aber die hat halt keine Ahnung, die NI. Deswegen kam die KI zum Zug. Die weiß aufgrund der Algorithmen der Demokratie, was die Leute hören wollen: Versprechen, Versprechen, Versprechen. Also wurde versprochen: 25.000 Euro für alle 18-Jährigen, 5000 Euro für jeden Lehrling, 1000 Euro für jeden Vollzeitarbeiter, Steuersenkung für alle, Gratis-Wasser im Lokal für alle, Gratis-Mundhygiene und Gratis-Impfungen für alle, Vier-Tage-Woche für alle. Und und und. Die KI sprudelte nur so.

Aber die KI weiß auch, dass wir Österreicher keineswegs nur am schnöden Mammon hängen. Mitnichten und -neffen! Also ersann sie auch Wahlversprechen wie: freier Seezugang für alle, mehr Bioimker, saubere Luft, klares Wasser, ewiger Friede, Recht auf Schatten bei der Bushaltestelle … Das wäre der NI nie eingefallen. Nie!

Aber die NI ist halt überhaupt eine Niete. Sie hätte sich beispielsweise auch gesagt, dass jeder Partei bewusst sein muss, dass sie nach der Wahl ein bis zwei Koalitionspartner brauchen wird. Und dass sie daher schon vor der Wahl die Kontakte zu den potenziellen Partnern pflegen und keine unüberwindlichen Hürden aufbauen sollte. Falsch, ganz falsch! Die KI weiß viel besser, was das Publikum will: Krach, Konfrontation, Schlagabtausch. Also gab es im Wahlkampf genau das: Krach, Konfrontation, Schlagabtausch. Und jede Menge Hürden-Errichter statt Brückenbauer.

Die NI hätte sich auch gesagt, dass Wahlen immer in der Mitte entschieden werden, und hätte daher allen Parteien empfohlen, in die Mitte zu rücken. Stattdessen haben sich die Ränder immer mehr radikalisiert und sind so weit nach links und rechts davon gestoben, dass man sie von der Mitte aus mit freiem Auge kaum noch erkennen kann. Der NI wäre so etwas nicht passiert. Es muss an dieser KI mit ihren Algorithmen liegen. Oder doch an der MU?

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