Gehaltsverhandlungen: Warum die Beamten immer gewinnen

19. November 2024Lesezeit: 5 Min.
Kommentar von Gerald Loacker

Gerald Loacker ist Jurist und geschäftsführender Gesellschafter bei der BWI Unternehmensberatung GmbH, die auf Vergütungssysteme und Gehaltsvergleiche spezialisiert ist. Außerdem arbeitet er als Sachverständiger für Berufskunde, Arbeitsorganisation und Betriebsorganisation. Bis Oktober 2024 war er als Abgeordneter zum Nationalrat in den Bereichen Arbeit, Soziales, Gesundheit und Wirtschaft sowie als stellvertretender Klubobmann der NEOS tätig.

Die Präsidentin des Rechnungshofes schlägt eine Nulllohnrunde für den öffentlichen Dienst vor. Sie kennt die Mechanismen und Strukturen, die auf Dauer dazu führen, dass sich die Einkommen im öffentlichen Sektor dynamischer entwickeln als im privaten.

Seit vielen Jahren rennen die öffentlich Bediensteten mit ihren Forderungen bei fast allen Regierungen offene Türen ein. So hat sich auch die scheidende Koalition großzügig um den öffentlichen Dienst gekümmert: Mehr als 4.700 Posten im Bundesdienst zusätzlich sind das Ergebnis aus den fünf Jahren der schwarz-grünen Koalition.

Diese gute Stimmung wollte die Gewerkschaft öffentlicher Dienst (GÖD) nützen und forderte schon im Sommer, den Gehaltsabschluss für 2025 noch vor der Nationalratswahl zu fixieren. Lange passierte nichts, die GÖD schäumte: Sie forderte von der Regierung in scharfem Ton die Aufnahme von Gehaltsverhandlungen und kündigte die Vorbereitung von Kampfmaßnahmen an.

Im öffentlichen Dienst erfolgen die Erhöhungen der Bezüge traditionell mit Jahresanfang. Diese müssen allerdings, anders als KV-Erhöhungen in der Wirtschaft, nach Abschluss der Verhandlungen vom Parlament beschlossen werden, bevor sie in Kraft treten können. Die letzte Nationalratssitzung am nahenden 12. Dezember bildet für die Gehaltsverhandlungen daher eine Art Deadline.

In den letzten Jahren hat die GÖD bei diesen Verhandlungen ordentlich abgeräumt. Mit einer Ausnahme (2021) lagen die Prozentsätze immer über der Inflationsrate. Letztes Jahr betrug die rollierende Inflation 9,15 Prozent. Die Bezüge der Beamten und Vertragsbediensteten wurden um 9,15 Prozent bis 9,71 Prozent angehoben. Was auf den ersten Blick danach aussieht, als handle es sich nur um eine Inflationsabgeltung, kaum mehr, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als deutlich mehr: Im öffentlichen Dienst stehen den Beschäftigten Biennalsprünge, also automatische Vorrückungen alle zwei Jahre zu. Derartige Erhöhungen sind in den Kollektivverträgen der Wirtschaft weitgehend zurückgedrängt worden. Während beispielsweise die Metallindustrie noch fünf Vorrückungen kennt und die Beschäftigten nach 12 Jahren plafoniert sind, rücken Vertragsbedienstete des Bundes 40 Jahre lang 20-mal vor.

Das bedeutet, dass die Beschäftigten im öffentlichen Dienst bis zum Karriereende alle zwei Jahre einen Gehaltsschritt machen, auch wenn der persönliche Erfahrungszuwachs längst keine Erhöhungen mehr rechtfertigt, weil Leistungssteigerungen damit verbunden wären. Diese Biennalsprünge sind durchschnittlich im Jahr mit 1,1 Prozent zu bewerten. Die Erhöhung für das Jahr 2024 in Verbindung mit den Biennien beläuft sich wirksam also auf 10,25 Prozent bis 10,81 Prozent.

Doch die Besonderheiten bei den Gehaltserhöhungen für den öffentlichen Dienst gehen noch weiter. Während in KV-Verhandlungen in der Regel das sogenannte „Rahmenrecht“ (Arbeitszeiten, Zuschläge, bezahlte Freistellungen, Weiterbildung usw.) in einem Paket mit der prozentuellen Erhöhung verhandelt wird, erfolgt das im öffentlichen Dienst traditionell getrennt. Zuerst, knapp nach der Sommerpause, beschließt das Parlament üblicherweise die Verbesserungen im Rahmenrecht für die öffentlich Bediensteten. So konnte die GÖD-Vertreterin im Parlament, ÖVP-Abgeordnete Romana Deckenbacher, einige Schäfchen für ihre Klientel noch in der letzten Parlamentssitzung der alten Periode am 18. September ins Trockene bringen.

Im zweiten Schritt, wenn im Spätherbst die Arbeitgeberseite der GÖD gegenübersitzt, um die prozentuelle Erhöhung der Bezüge für 2025 zu verhandeln, hat sie keine Gegenforderungen in der Hand. Das Rahmenrecht ist ja bereits erledigt. Anachronismen, wie die bezahlte Mittagspause im öffentlichen Dienst, die private Arbeitgeber bei KV-Verhandlungen mitnehmen würden, um sie im Paket gegen eine etwas höhere Prozent-Erhöhung abzutauschen, stehen gar nicht zur Debatte. Und so werden auch heuer wieder die Beschäftigten im öffentlichen Dienst sowohl ein besseres Dienstrecht als auch eine satte Gehaltserhöhung nach Hause tragen.

Wie der Rechnungshof in seinem Einkommensbericht regelmäßig aufzeigt, führt diese Systematik dazu, dass die Entwicklung der Bezüge im öffentlichen Dienst den Löhnen und Gehältern in der Wirtschaft langfristig davonläuft.

Verständlich wird das auch mit Blick auf die Zusammensetzung der Verhandlungsteams: Die Arbeitgeberseite, also die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, vertreten neben dem fachlich zuständigen Minister dessen Kräfte aus dem Ministerium. Sie gehören selbst zur Gruppe der öffentlich Bediensteten und müssten im Sinne des Gemeinwesens ihre persönlichen Interessen zurückstellen, um für die Gemeinschaft der Steuerzahler die Arbeitsleistung der Kollegenschaft zu einem angemessenen Preis – und nicht einfach zum geforderten – einzukaufen.

Ein Verständnis für das Anliegen, das öffentliche Dienstrecht näher an das private Arbeitsrecht heranzuführen statt weiter weg, und daher alte Zöpfe abzuschneiden, scheint in diesem Setting weitgehend zu fehlen.

Was zu tun wäre, liegt auf der Hand:

  • Rahmenrechtliche Verbesserungen gehören finanziell bewertet, Rahmenrecht und Erhöhung sind daher als Paket zu verhandeln.
  • Die Arbeitgeberseite muss gut vorbereitet und mit Gegenforderungen in die Verhandlungen gehen.
  • Die Verhandlung für die Arbeitgeberseite gehört an externe Experten ausgelagert. Auf Arbeitnehmerseite verhandeln ja auch Profis.

Der öffentliche Dienst soll so fair bezahlt sein wie jene, die ihn finanzieren. Und für diese Fairness müssen wir das ganze Paket im Blick haben, nicht nur einen schlichten Prozentsatz.

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