Die FPÖ, unsere Anti-Faltencreme 

25. November 2024Lesezeit: 4 Min.
Alexander Purger Illustration
Kommentar von Alexander Purger

Alexander Purger ist Redakteur der Salzburger Nachrichten und schreibt die satirische Kolumne „Purgertorium“. Er ist Autor mehrerer Bücher, darunter der Kanzlerbiografie „Wolfgang Schüssel – Offengelegt“.

Na, da hat es am Sonntag ganz schön geswingt im Swing State Styria. Erst war sie lange schwarz, die Steiermark, dann rot, dann wieder schwarz und jetzt auf einmal blau. Und wie blau! Zum Trost für die Verlierer und als Dämpfer für die Sieger sei an eine der wichtigsten Weisheiten der Politik erinnert: Es gibt in der Demokratie keine endgültigen Siege und keine endgültigen Niederlagen. Es ist alles eine Frage der Zeit. 

Und die Zeit ist derzeit so, dass die Leute – wie es in einer treffenden Nachwahlanalyse am Sonntag hieß – einfach angefressen sind. Angefressen sein steht derzeit ganz oben auf der politischen Agenda. Und den Wählern immer wieder zu sagen, dass sie es vollkommen zu Recht sind, ist der sichere Weg zum politischen Erfolg.

Aber worauf sind die Leute eigentlich angefressen? Ach, die Liste ist lang. Die Leute sind angefressen, dass in Europa Krieg ist. Sie sind angefressen, dass scheinbar alles immer teurer wird. Dass sie nicht mehr sagen dürfen, was sie sich denken. Dass sie gendern müssen. Dass es immer mehr Migranten gibt. Dass in Wien bereits die Hälfte der Volksschüler nicht ausreichend Deutsch kann, um dem Unterricht zu folgen. Dass die Integration also krachend gescheitert ist. Dass es beim Arzt so lange dauert. Dass es im Ort keinen Greißler und kein Wirtshaus mehr gibt. Dass das Wetter manchmal schlecht ist und Hochwasser verursacht. Und und und.

Und deswegen wählen sie blau? Ja, genau deshalb. Weil ihnen die Blauen glaubhaft und ohne Unterlass versichern, dass das alles eine Frechheit ist und dass man völlig recht hat, wenn man deswegen angefressen ist. Erwarten die Wähler auch, dass die Blauen all diese Missstände beheben? Aber keine Spur! So dumm sind die Wähler nicht. Eines der zentralen Wahlversprechen der steirischen Blauen, das sie auch landauf, landab plakatierten, lautete, dass sie alle kriminellen Ausländer umgehend in den Abschiebeflieger setzen werden. Nun weiß jedes Kind, dass das zwar in den Augen vieler vielleicht wünschenswert wäre, aber die Kompetenzen einer steirischen Landesregierung einigermaßen übersteigen dürfte. Weil man dazu nämlich die internationale Rechtssprechung und die internationalen Verträge ändern müsste.

Nein, die Wähler wissen, dass sie von den Blauen, die immer im Chaos versinken, wenn sie im Bund regieren müssen, keine Änderungen erwarten können. Sie wollten nur einmal gesagt haben, dass sie solche Änderungen wünschen. Das ist wie mit einer Anti-Faltencreme: Man weiß, dass man damit nicht um 20 Jahre jünger wird, wenn man sie aufträgt. Aber man hätte es halt gerne.
Und von wem erwarten sich die Wähler in Wahrheit eine Behebung der Missstände? Nun, das ist ja ganz klar: von den ewigen Regierungsparteien ÖVP und SPÖ. Deswegen ist ja die Enttäuschung über diese beiden Parteien so groß, weil von dort nichts kommt, absolut nichts. Die Entscheidung der Wiener Koalitionsverhandler, die steirischen Landtagswahlen abzuwarten, ehe sie auch nur einen Finger rühren, war das mit Abstand Dümmste, was sie machen konnten. Die Wähler erwarten sich von den ewigen Regierungsparteien nicht, dass sie nichts tun, sondern dass sie gefälligst regieren. Und zwar ein bisschen plötzlich. 

Vieles, worüber die Leute angefressen sind, kann von der österreichischen Regierung allein nicht behoben werden. Für manche Dinge ist es auch bereits zu spät. Aber es gäbe genug drängende und lösbare Probleme, die sofort angepackt werden könnten. Es wäre ermüdend, sie hier zum hundertsten Mal aufzuzählen. Jeder kann sie schon im Schlaf hersagen. Allein der erkennbare Wille, sie anzupacken, würde die Sorgenfalten im Lande schon geringer werden lassen und die Stimmung heben. Aus Angst vor den Blauen weiterhin nichts zu tun, wäre – siehe oben – das Allerdümmste.