Europa steht auf Bürokratie statt auf Innovation!
Laura Raggl ist Managing Partner von ROI Ventures, einer Angel-Investorengruppe, die sich auf Startups in der Frühphase fokussiert. Davor war sie Geschäftsführerin der Austrian Angel Investors Association (aaia). Nach dem Studium in Innsbruck war sie bei dem Deep-Tech-VC-Fonds APEX Ventures tätig. Raggl ist außerdem Mitglied des Startup-Rats, der das Wirtschaftsministerium berät.
Es sind nun 42 Tage vergangen seit Donald Trump die US-Wahl gewonnen hat. Was zuvor insbesondere für viele europäische Medien und Gesellschaften als undenkbar galt, ist nun Realität geworden.
Man mag von Trump halten, was man will, und es gibt zweifelsohne zahlreiche berechtigte Kritikpunkte. Doch sein klar formuliertes Versprechen, die Wirtschaft und Innovation zu fördern sowie die Rahmenbedingungen für den privaten Sektor so attraktiv wie möglich zu gestalten, hat entscheidend zur Mobilisierung seiner Wählerschaft beigetragen. Ein Anstieg des Aktienmarktes und ein regelrechter Höhenflug der Kryptowährungen waren die direkte Folge. Initiativen wie das neue Department of Government Efficiency (DOGE) verdeutlichen Trumps Ansatz, Bürokratie abzubauen und Prozesse zu straffen.
Die langfristigen Auswirkungen seiner Maßnahmen bleiben abzuwarten, doch der politische Wille zur Veränderung ist klar erkennbar.
Europas Wirtschaft hinkt hinterher
Bereits vor dem US-Wahlergebnis gab es zahlreiche Stimmen, die zu geringes Risikokapital, Überregulierung, Bürokratie und fehlende Unternehmerkultur in Europa als bedeutende Innovationshemmnisse identifizierten. Laut dem Draghi Report wurde seit über 50 Jahren kein neues global bedeutendes Unternehmen in Europa gegründet. Die Auswirkungen davon werden immer stärker sichtbar. Laut OECD wird Deutschland im Jahr 2025 so langsam wachsen wie keine andere Industrienation. Auch in Österreich wird das BIP im kommenden Jahr vermutlich nur um 1,1 Prozent ansteigen. Die USA erwartet hingegen ganze 2,4 Prozent an Wirtschaftswachstum. Diese Diskrepanz könnte sich unter einer wirtschaftsfreundlichen US-Regierung immer weiter verschärfen.
Dabei verfügt Europa über enormes ungenutztes Potenzial. Gerade deshalb ist es so frustrierend zu beobachten, dass es für private Unternehmen zunehmend schwieriger wird, innovativ und wettbewerbsfähig zu agieren. Anstatt auf einer Lebensqualität zu verharren, die ohne wirtschaftliches Wachstum langfristig nicht gesichert werden kann, sollte Europa jetzt entschlossen handeln.
Status des europäischen Startup-Ökosystems
Der State of European Tech Report, herausgegeben vom renommierten VC-Fonds Atomico, bietet wertvolle Einblicke in die europäische Startup-Szene. Während das europäische Ökosystem mit etwa 25 Jahren noch jung ist, blickt das US-amerikanische Pendant auf über fünf Jahrzehnte zurück. Entscheidend ist daher nicht nur der Status quo, sondern das Wachstum.
Die europäische Technologiebranche beschäftigt heute 3,5 Millionen Menschen, wobei allein in den letzten zehn Jahren fast 3 Millionen neue Arbeitsplätze entstanden sind. Mit einer jährlichen Wachstumsrate von 24 Prozent hält Europa mit den USA Schritt.
Die Gesamtinvestitionen in europäische Startups haben sich innerhalb eines Jahrzehnts von 43 Milliarden USD auf 426 Milliarden USD verzehnfacht. Zum Vergleich: In den USA stiegen die Investitionen im selben Zeitraum um das 2,8-Fache auf 1,2 Billionen USD.
Trotz dieser positiven Entwicklungen steht das europäische Startup-Ökosystem weiterhin vor erheblichen Herausforderungen. Nur mit startup-freundlicheren Rahmenbedingungen könnte das volle Potential erschlossen werden.
Wo steht Österreich?
Ein genauer Blick auf Österreich offenbart Fortschritte in den letzten zehn Jahren. Zwischen 2015 und 2024 wuchs die Zahl der sogenannten Unicorns – also Unternehmen mit einer Bewertung von über einer Milliarde Dollar – von einem auf sechs. Gleichzeitig stieg die Zahl der Beschäftigten im Tech-Bereich von 11.000 auf 38.000. Das investierte Kapital nahm von 200 Millionen auf 4,2 Milliarden Euro zu. Im europäischen Vergleich belegt Österreich damit Platz 14. Die Spitzenplätze werden von Großbritannien, Deutschland und Frankreich dominiert.
Obwohl der Anstieg des investierten Kapitals erfreulich ist, reicht dieses nach wie vor nicht aus, insbesondere für die Finanzierung wachstumsstarker Unternehmen.
In den letzten zehn Jahren haben die USA rund 0,53 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Technologie investiert, während es in Österreich nur 0,10 Prozent sind. Pensionsvorsorgekassen könnten eine zentrale Rolle spielen, sind in Europa jedoch stark unterrepräsentiert im Bereich Venture Capital. Dies gilt besonders für die DACH-Region, wo das Potenzial institutioneller Anleger bislang kaum genutzt wird.
Die Zeit drängt, um Europas Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig wiederherzustellen. Steuerliche Anreize für Startup-Investitionen sowie die Mobilisierung institutioneller Anleger durch Dachfonds bieten konkrete Ansätze zur Stärkung der Risikokapital Basis. Auch in Europa käme eine Effizienzsteigerung staatlicher Prozesse und eine starke Überarbeitung von Regulierungen nicht nur den Startups, sondern der gesamten Wirtschaft zugute. Und das haben wir dringend nötig!