Europa geht das Geld aus!

28. August 2024Lesezeit: 3 Min.
Kommentar von Laura Raggl

Laura Raggl ist Managing Partner von ROI Ventures, einer Angel-Investorengruppe, die sich auf Startups in der Frühphase fokussiert. Davor war sie Geschäftsführerin der Austrian Angel Investors Association (aaia). Nach dem Studium in Innsbruck war sie  bei dem Deep-Tech-VC-Fonds APEX Ventures tätig. Raggl ist außerdem Mitglied des Startup-Rats, der das Wirtschaftsministerium berät. 

Stellen Sie sich vor, Sie könnten Ihr Geld weltweit anlegen. Wäre Europa Ihre erste Wahl?

Europa verliert zunehmend an Attraktivität als Investitionsstandort – jedes Jahr fließen 300 Milliarden Euro an Ersparnissen europäischer Familien ins Ausland. Warum? Fragmentierte Märkte behindern die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und erschweren die Kapitalbeschaffung. Nationale Interessen dominieren in Europa und verhindern die Schaffung eines einheitlichen Finanzmarktes.

In Europa fehlen die Technologiegiganten

Eine zentrale Herausforderung ist die geringe Investitionsbereitschaft der Europäer. Während in den USA fast fünfmal so viel Kapital in Aktien und Fonds fließt, horten viele Europäer ihre Ersparnisse lieber auf Bankkonten. In den USA profitieren Unternehmen von einem liquiden Geldmarkt, einer Risikokapitalkultur und einem starken Innovationsökosystem. Amerikanische Investoren sind bereit, höhere Risiken einzugehen.

Das sind wesentliche Gründe, warum Europa bisher nicht in der Lage war, globale Technologiegiganten wie Google, Meta oder Nvidia hervorzubringen – Unternehmen, die heute dringend benötigt werden. Nur 10 Prozent der 30 weltweit führenden High-Tech-Unternehmen kommen aus Europa, während 73 Prozent in den USA beheimatet sind.

Hintergrund

Ursula von der Leyens Plan: Die Vereinigung des europäischen Kapitalmarktes

Die Präsidentin der Europäischen Kommission hat dieses Problem offenbar erkannt und will in ihrer zweiten Amtszeit einen Schwerpunkt auf die lang ersehnte Vereinigung des europäischen Kapitalmarktes legen. Ihr Ziel: Unternehmen sollen in Europa wachsen können und Zugang zu ausreichend Kapital haben.

Es ist ein positives Zeichen, dass dieses Thema nun von den höchsten Entscheidungsträgern aufgegriffen wird. Nur so kann sich wirklich etwas bewegen. In Frankreich hat Emmanuel Macron bereits gezeigt, wie Kapitalmarktreformen erfolgreich durchgeführt werden können. Ähnliche Ansätze zur Förderung innovativer Unternehmen finden sich auch in Ländern wie dem Vereinigten Königreich und Estland.

Hebel liegt auf europäischer Ebene

Ohne tiefgreifende Reformen riskiert Europa, seine wirtschaftliche Zukunft aufs Spiel zu setzen. Die trägen Systeme lassen sich aber nicht über Nacht ändern. Daher ist es ratsam, auf bestehenden Strukturen aufzubauen. Ein entscheidender Schritt, den die EU unternehmen könnte, ist die Vollendung des Binnenmarktes für Waren, Dienstleistungen, Arbeit und Kapital.

Darüber hinaus sollten die Kapazitäten und Instrumente des Europäischen Investitionsfonds (EIF) und der Europäischen Investitionsbank ausgebaut werden, um mehr Mittel für Risikokapitalfonds und innovative Start-ups bereitzustellen. Dachfondsmodelle auf nationaler und europäischer Ebene könnten helfen, Kapital von institutionellen Investoren zu mobilisieren und so die Finanzierungslücke zu schließen.

Österreichs Weg: Der Rot-Weiß-Rot-Fonds als Modell für Innovationsförderung

Für Österreich bedeutet das konkret, dass durch den gestern von Minister Martin Kocher präsentierten RWR-Fonds erhebliche private Kapitalreserven in die Innovationsszene fließen könnten. Erstmals würden heimische institutionelle Investoren wie Pensionskassen die Möglichkeit erhalten, ihre Mittel gezielt für Innovationen im Land einzusetzen. Der RWR-Fonds investiert in Fonds, die wiederum in österreichische Start-ups, Wachstumsunternehmen (Scaleups) und KMUs investieren würden. Angestrebt wird ein Fondsvolumen von 500 Millionen bis 1 Milliarde Euro, das durch zusätzliche Garantien incentiviert werden könnte.

Langfristige Vision: Zersplitterung der Aktienmärkte überwinden

Langfristig bleibt eine der größten politischen Herausforderungen die Verringerung der Zersplitterung der europäischen Aktienmärkte. Nur so kann deren Tiefe, Liquidität und Bewertung gesteigert werden, was letztlich die Attraktivität einer Börsennotierung in der EU erhöhen würde.

Ohne entschlossene Maßnahmen zur Finanzierung von innovativen Unternehmen wird Europa weiter an Boden verlieren – mit schwerwiegenden Folgen für die wirtschaftliche Zukunft des Kontinents.

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