Erneuerbares-Gas-Gesetz: Süßer Sieg oder langfristige Niederlage?
Elisabeth Zehetner setzt sich seit mehr als 20 Jahren für innovative Initiativen, junge Unternehmer:innen, Gründer:innen und Frauen in der Wirtschaft ein. Derzeit ist sie Geschäftsführerin von oecolution austria, der ersten Organisation in Österreich, die zeigt, dass wirtschaftlicher Erfolg und Wohlstand die besten Voraussetzungen für wirksamen Klimaschutz sind. 2024 erschien im ecowing-Verlag ihr erstes Buch „Im Namen des Klimas“.
„Die längste rezessive Phase seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs“, nennt WIFO-Chef Gabriel Felbermayr die derzeitige Situation der österreichischen Wirtschaft. Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) untermauerte diesen düsteren Ausblick vergangenen Freitag mit ihrer Prognose: Statt einem ursprünglich erwarteten Plus von 0,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für 2024 rechnet man nun mit einem Minus von 0,7 Prozent. Hauptursachen sind eine anhaltende Industrierezession und eine ausgeprägte Konsumzurückhaltung.
In dieser schwierigen Lage sollten wir jeden Schritt doppelt überdenken – besonders wenn es um zusätzliche Belastungen für die Wirtschaft und die Bürgerinnen und Bürger geht.
Das Erneuerbare-Gas-Gesetz (EGG), das noch vor der Wahl durchgedrückt werden könnte, mag in den Augen mancher als süßer politischer Erfolg erscheinen. Doch in Zeiten der wirtschaftlichen Unsicherheit könnte sich dieser scheinbare Triumph als bittere Niederlage für die österreichische Wirtschaft und die Konsumentinnen und Konsumenten erweisen. Denn auch wenn grüne Gase definitiv zur Erreichung der Klimaziele beitragen, müssen wir uns nüchtern die Frage stellen: Zu welchem Preis? Durch das das Gesetz wird uns von so manch einer wahlwerbenden Partei Unabhängigkeit von russischem Gas versprochen, doch die Realität sieht anders aus. Mit den derzeitigen Produktionskapazitäten von Biomethan und grünem Wasserstoff werden wir bestenfalls zehn Prozent des prognostizierten Verbrauchs bis 2030 abdecken können. Der Traum vom „Kraftwerk am Misthaufen statt Gaswerk beim Kreml“ bleibt vorerst genau das – ein Traum.
Preisdämpfung? Fehlanzeige
Besonders problematisch ist die Quotenregelung. Sie verpflichtet die Energieversorger, bis 2030 einen festgelegten Anteil an grünem Gas zu liefern, und sieht ausschließlich in Österreich produziertes, erneuerbares Gas vor. Aber bei genauerem Hinsehen wird klar: Österreich hat aktuell nur 14 Biogasanlagen, die in das Gasnetz einspeisen. Das bedeutet, dass Energieversorger von Anfang an gezwungen sein werden, Strafzahlungen zu leisten, die letztlich auf die Endverbraucher – also auf Haushalte und Unternehmen – abgewälzt werden. Es wird mit Mehrkosten in Milliardenhöhe bis 2030 gerechnet. Die Schätzungen reichen von 2,5 Mrd. Euro bis hin zu 3,6 Mrd. Euro. Das bedeutet höhere Gaspreise, höhere Strompreise und am Ende des Tages auch höhere Inflation.
Ein marktbasiertes Prämienmodell, wie es beim Ökostrom bereits erfolgreich angewendet wird, könnte hier eine deutliche Entlastung bringen, indem es die Investitionssicherheit der Produzenten erhöht und die Mehrkosten für die Verbraucher senkt. Doch dieser Ansatz wurde im aktuellen Entwurf schlichtweg ignoriert.
Effizienz beim Klimaschutz? Fehl am Platz
Und dann wäre da noch die Frage nach der Effizienz der CO2-Einsparungen. Von 2024 bis 2030 soll laut Gesetz eine Reduktion von 4,2 Millionen Tonnen CO2 erreicht werden. Das Klimaministerium selbst schätzt, dass dies Mehrkosten von 1,25 bis 1,83 Milliarden Euro für Gasverbraucher bedeutet – und dabei sind mögliche Strafzahlungen noch gar nicht mitgerechnet. Allein in diesem Szenario kostet die Vermeidung von einer Tonne CO2 zwischen 298 und 436 Euro. Zählt man die Strafzahlungen dazu, steigt dieser Betrag sogar auf 875 Euro pro Tonne. Zum Vergleich: Der aktuelle CO2-Preis variiert und liegt derzeit bei rund 65 Euro pro Tonne. Da muss man nicht lange überlegen, ob das wirklich effizient ist.Das ist nicht effizienter Klimaschutz, das ist eine finanzielle Belastung, die sich Österreich einfach nicht leisten kann.
Ein Rechtsrahmen, der langfristig schadet
Für die Verabschiedung des EGG ist eine 2/3-Mehrheit im Parlament erforderlich, was bedeutet, dass die Regierung auf die Unterstützung der Opposition angewiesen ist. Während die FPÖ bereits ihre Ablehnung signalisiert hat, stellt die SPÖ ihre Zustimmung unter Bedingungen: Sie fordert eine Entlastung der Endverbraucher. Zwar könnte § 11 des Gesetzes eine solche Entlastung theoretisch ermöglichen, doch sogar ein Rechtsgutachten des Klimaministeriums vom Juli 2024 zeigt, dass die Europäische Kommission diese Förderung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht genehmigen wird.
Wie kann also eine Gesetzesvorlage eingebracht werden, die selbst vom Klimaministerium in Frage gestellt wird?
Es darf nicht der Fehler gemacht werden, das EGG als kurzfristigen politischen Erfolg zu verkaufen, während die langfristigen Konsequenzen ignoriert werden. Der Rechtsrahmen muss so gestaltet werden, dass er die Wirtschaft und die Verbraucher schützt, Investitionen fördert und gleichzeitig die Klimaziele effizient und kostengünstig erreicht. Der derzeitige Entwurf des EGG schafft jedoch das Gegenteil: Er belastet die österreichische Wirtschaft in einer ohnehin schwierigen Zeit und treibt die Energiepreise weiter in die Höhe.
Es geht ganz bestimmt nicht darum, den Klimaschutz zu bremsen, sondern darum, ihn klug zu gestalten. Ein durchgeboxtes Gesetz, das uns teuer zu stehen kommt, ist kein Sieg – es ist eine Niederlage, die uns alle treffen wird.