Ein Deus ex machina für Reformen

10. September 2024Lesezeit: 3 Min.
Alexander Purger Illustration
Kommentar von Alexander Purger

Alexander Purger ist Redakteur der Salzburger Nachrichten und schreibt die satirische Kolumne „Purgertorium“. Er ist Autor mehrerer Bücher, darunter der Kanzlerbiografie „Wolfgang Schüssel – Offengelegt“.

Wenn Sportreporter die Fußballmannschaft von Red Bull Salzburg als „Die Salzburger“ titulieren, ist das mit einer gewissen Unschärfe verbunden. Denn in vielen Fällen steht in der Startformation nicht nur kein Salzburger, sondern nicht einmal mehr ein Österreicher. Das Legionärswesen, das und dem Red Bull Flügel verliehen hat, ist in Salzburg besonders ausgeprägt, aber bei weitem keine Spezialität von Red Bull. Selbst viert- oder fünftklassige Wirtshausmannschaften setzen heute auf Verstärkungen aus dem Ausland, um das Wirtshaus nebenan leichter besiegen zu können. Die Österreicher spielen heute großteils nicht mehr Fußball, sie lassen Fußball spielen.

Genauso wie wir uns das Schnitzel servieren, die Gurkerl ernten und die Büroräumlichkeiten reinigen lassen. Und wir selbst? Was machen wir eigentlich noch selbst? Politik. Die Politik machen wir noch eigenhändig. Da gibt es keine Legionäre, also keine Verstärkungen aus dem Ausland. Was man der heimischen Politik auch anmerkt, könnte man böse hinzufügen.

Es ist eine reizvolle Vorstellung, sich auszumalen, wie die heimische Politik aussähe, wenn es dort einen Transfermarkt wie im Fußball gäbe. Bitte, dass österreichische Politiker ins Ausland abgeworben würden, wäre auf Grund des hiesigen Leistungsniveaus eher unwahrscheinlich. Umso dringender wäre es, dass sich die heimischen Parteien personelle Verstärkung aus dem Ausland holen.

Wie im Fußball ginge es vor allem um Offensiv- und Kreativkräfte. Defensivspieler, die wissen, wie man Spielzüge unterbindet und erfolgreiche Torschüsse verhindert, haben wir ja in Österreich selbst zur Genüge. Schon den politischen Miniknaben in der U-12-Mannschaft wird beigebracht, wie man erfolgreich Reformen verhindert. Das können wir selbst. Nein, was wir brauchen würden, wären Mittelfeld-Regisseure und Stürmer mit dem Zug zum Reform-Tor. Einen Strukturreform-Mbappé, einen Veränderungs-Messi. Falls wir uns halt die Ablösesummen leisten können…

PS: Die hier kurz skizzierte Idee von politischen Legionären und Leihspielern ist übrigens weniger absurd, als sie zunächst klingt. Sie wurde sogar schon einmal verwirklicht, und zwar in den italienischen Stadtstaaten der frühen Neuzeit. Wenn die Stadtparteien dort heillos zerstritten waren (was öfters vorkam) und nur noch aus ihren Geschlechtertürmen aufeinander schossen, sodass nichts mehr weiterging und das Gemeinwesen zu zerfallen drohte, engagierte die Stadt einen „Podesta“, einen ausländischen Regierungsprofi. Er wurde von den Parteien für ein halbes Jahr mit allen Vollmachten ausgestattet, um die Reformen durchzuführen, die sie selbst nicht zu Stande brachten, und dann ging er wieder. Irgendwie eine reizvolle Vorstellung, so ein Deus ex machina für Reformen  …

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