Politiker sind gewählt, um zu entscheiden!
Elisabeth Zehetner setzt sich seit mehr als 20 Jahren für innovative Initiativen, junge Unternehmer:innen, Gründer:innen und Frauen in der Wirtschaft ein. Derzeit ist sie Geschäftsführerin von oecolution austria, der ersten Organisation in Österreich, die zeigt, dass wirtschaftlicher Erfolg und Wohlstand die besten Voraussetzungen für wirksamen Klimaschutz sind. 2024 erschien im ecowing-Verlag ihr erstes Buch „Im Namen des Klimas“.
Der Ruf nach direkter Demokratie ist populär wie nie zu vor. Er fällt offenbar nicht nur bei Populisten auf fruchtbaren Boden. Auch Regierungsverhandler denken laut Medienberichten darüber nach, im Fall der Uneinigkeit der Koalitionspartner bei bestimmten Themen Volksbefragungen durchzuführen. Was auf den ersten Blick sympathisch klingen mag, ist aus demokratiepolitischer Perspektive mehr als problematisch. Und das gleich in mehrfacher Hinsicht.
Unser repräsentativ-demokratisches System basiert darauf, dass von uns gewählte Politikerinnen und Politiker Entscheidungen treffen – und niemand anderer. Wir brauchen daher keine „Bypässe“ im System, die unser demokratisches Betriebssystem umgehen oder lahmlegen. Ein Beispiel der letzten Zeit dafür sind die von Klimaaktivisten immer wieder geforderten Bürgerräte. Sie sollen politische Entscheidungen vorbereiten oder sogar treffen können. Diese Räte, durch Zufall ausgelost und nicht gewählt, sollen angeblich die Vielfalt der Gesellschaft besser abbilden. Auch in Österreich wurde ein Klimarat – angeblich ein „Mini-Österreich“ – ins Leben gerufen, der „Empfehlungen“ für die Politik erarbeitete. Schon die Zusammensetzung dieses Gremiums war umstritten. Laut Experten erfolgte die Auswahl methodisch unsauber, da Einstellungen zum Klimawandel nicht berücksichtigt wurden. Das führte zur Selbstselektion von klimaaktiven Bürgern, deren Meinungen keineswegs die gesamte Bevölkerung repräsentierten.
Fest stand und steht jedenfalls: Mit repräsentativer Demokratie und Volksvertretung hat das alles nichts zu tun. Und mit dem Nationalrat haben wir bereits ein gewähltes „Mini-Österreich“, das als legitime Plattform für die Abstimmung unterschiedlicher Interessen dient. Diese repräsentative Demokratie ermöglicht es, Anliegen und Prioritäten der Gesellschaft auf transparente und nachvollziehbare Weise zu verhandeln. Alternativen wie Räte oder repräsentative Umfragen könnten diese Funktion niemals übernehmen, ohne demokratische Grundprinzipien zu gefährden. Die Geschichte hat zudem klar gezeigt, dass „Räterepubliken“ nicht in mehr Demokratie, sondern ins Gegenteil münden.
Unsere parlamentarische Demokratie und das Verantwortungsprinzip sind untrennbar miteinander verbunden. Gewählte Abgeordnete treffen Entscheidungen im Namen des Volkes – und sind für diese Entscheidungen auch politisch verantwortlich. Weil Abgeordnete immer auf Zeit gewählt sind, bietet dieses System stets die Möglichkeit zur Korrektur – ein Mechanismus, der bei Volksentscheiden ohne Ablaufdatum fehlt.
Die politische Verantwortung demokratisch gewählter Volksvertreterinnen und Volksvertreter ist und bleibt der Angelpunkt der Debatte. Dass Politik diese Verantwortung immer wieder abgeben möchte, weil man sich nicht einigen kann – sei es an Höchstgerichte oder eben an Volksbefragungen –, ist nicht Ausdruck von Bürgernähe, sondern mangelnder Professionalität und Problemlösungskompetenz.
Wir brauchen in Österreich einen Nationalrat und eine Regierung, die den Mut haben, notwendige Entscheidungen zu treffen und dafür selbstbewusst Verantwortung zu tragen. In Zeiten globaler Krisen ist dies besonders wichtig. Politik braucht eine klare Vision, muss Entscheidungen erklären und die Bevölkerung mitnehmen. Das gilt für die schwierige Budgetkonsolidierung genauso wie für die Klima-, Sozial- und Einwanderungspolitik. Statt populistischer Scheinlösungen müssen seriöse und nachhaltige Lösungen für kommende Generationen im Zentrum stehen. Dafür wird gute Politik gewählt. Die Delegation von Themen, bei denen man sich nicht einigen kann, an Volksbefragungen würde nur den ungünstigen Eindruck von politischen „Streithanseln“ verstärken, die nichts weiterbringen.
Dazu kommt noch: Volksbefragungen sind – im Gegensatz zur Volksabstimmung – nicht verbindlich. Szenarios, zuerst das Volk zu befragen und dann doch aus Sachgründen anders entscheiden zu müssen, sind bei häufigeren Befragungen nicht auszuschließen. Ein Beispiel in Österreich ist die Volksbefragung über den Bau von Windrädern in Kärnten. Diese Entscheidung, die eine sachpolitische Abwägung auf Basis von Expertenmeinungen und Klimazielen erfordert, wurde mangels politischer Einigung an die Bevölkerung delegiert. Die Auseinandersetzung dazu zeigt: Ohne umfassende Information und Diskussion werden kurzfristige Interessen oder rein emotionale Argumente überwiegen. Und die Politik am Ende des Tages vielleicht doch dazu zwingen, im Interesse der Zukunftsfähigkeit eines Landes für seine Bürgerinnen und Bürger, anders zu entscheiden. Das wäre wiederum ein Bärendienst an der Demokratie.
Demokratisch gewählte Politikerinnen und Politiker sind in unserem repräsentativ-demokratischen System dazu gewählt, um Entscheidungen zu treffen und dafür Verantwortung zu tragen. Wer das anders sieht, stellt – absichtlich oder unabsichtlich – die Systemfrage.