Die Reichen als Retter des Sozialstaats?
Laura Raggl ist Managing Partner von ROI Ventures, einer Angel-Investorengruppe, die sich auf Startups in der Frühphase fokussiert. Davor war sie Geschäftsführerin der Austrian Angel Investors Association (aaia). Nach dem Studium in Innsbruck war sie bei dem Deep-Tech-VC-Fonds APEX Ventures tätig. Raggl ist außerdem Mitglied des Startup-Rats, der das Wirtschaftsministerium berät.
„Vermögensteuer für mehr Gerechtigkeit“ – so prangt es in großen roten Buchstaben auf der Website der SPÖ. Nur die Reichsten der Reichen wären von dieser Steuer betroffen, und die Einnahmen könnten dringend benötigte Investitionen in Gesundheit und Bildung ermöglichen. Das klingt fast nach Robin Hood. Die Reichen sollen den Sozialstaat noch stärker finanzieren. Dieser Vorschlag findet in der linken Wählerschaft zweifellos Anklang.
Die Realität der Vermögensteuer
Die Vermögensteuer wird aktuell intensiv diskutiert, da sie das Gefühl von mehr Gerechtigkeit vermittelt und den Anschein erweckt, ein faires Steuersystem zu fördern. Tatsächlich ist ihr finanzieller Nutzen jedoch begrenzt und würde sogar langfristig das Wirtschaftswachstum hemmen.
Reiche Österreicherinnen und Österreicher haben zahlreiche Möglichkeiten, ihr Vermögen so zu strukturieren, dass die Steuerlast minimiert wird – sei es durch die Verlagerung ins Ausland oder die Nutzung von Stiftungen. Diese Steuerumgehungsstrategien sind international bewährt, und Österreich konkurriert im globalen Wettbewerb um Kapital. Ein Beispiel: Als Norwegen 2023 die Vermögensteuer erhöhte, verließen über 30 Milliardäre das Land.
Auch in Österreich ist ein ähnlicher Effekt zu erwarten. Vermögende Privatpersonen könnten einfach in Länder mit attraktiveren Konditionen abwandern. Eine von der AK Oberösterreich in Auftrag gegebene Studie rechnet dennoch mit hohen Einnahmen, da ein großer Teil des Vermögens in Immobilien steckt. Immobilienbesitzer wären dennoch im Ausland durch internationale Steuerabkommen und nationale Gesetze schwerer zu fassen.
Neben der Verlagerung von Vermögen ins Ausland gibt es weitere Hürden: Die Verwaltungskosten einer Vermögensteuer sind enorm, da die Bewertung von Sach- und Geldvermögen komplex und aufwendig ist. Die damit verbundene Bürokratie verschlingt Ressourcen, die besser in die Wirtschaft investiert werden könnten. Eine gerechte Bewertung wäre nicht nur schwierig, sondern auch ein erheblicher Eingriff in die Privatsphäre.
Unternehmen als Rückgrat der Wirtschaft stark betroffen
Die SPÖ betont gerne, dass Konsumentinnen, Konsumenten sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer 80% der Steuereinnahmen leisten. Die österreichische Wirtschaft wird aber vor allem von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) getragen. Sie sind es, die Arbeitsplätze überhaupt erst schaffen und ihre Unternehmensgewinne hoch versteuern. Damit tragen sie bereits massiv zum Sozialstaat bei.
Bei einer Vermögensbesteuerung müsste auch der Wert der Unternehmensanteile herangezogen werden. Start-ups wären davon besonders betroffen. Viele junge Unternehmen haben bereits Bewertungen in Millionenhöhe, doch die Gründerinnen und Gründer erhalten oft nur ein Durchschnittsgehalt. Auf dem Papier besitzen sie Millionen, doch die Liquidität, um die Vermögensteuer zu bezahlen, fehlt oft. Für sie könnte die Steuer existenzbedrohend werden.
Die Vorstellung, dass nur die Superreichen betroffen wären, trügt. Auch der Mittelstand würde unter der Vermögensteuer leiden, da Immobilien und Betriebsvermögen in die Berechnung einfließen und so schnell mehrere Millionen Euro zusammenkommen. Das kann die Existenz zahlreicher Klein- und Mittelunternehmen und den Wirtschaftsstandort Österreich bedrohen.
Unternehmen müssten ihren Sitz ins Ausland verlegen und ausländische Firmen würden sich erst gar nicht mehr in Österreich niederlassen.
Bedrohung für den Wirtschaftsstandort
Ein häufiges Argument für die Vermögenssteuer ist der Vergleich mit anderen OECD-Ländern, in denen vermögensbezogene Steuern im Durchschnitt bei 5,6 Prozent liegen. Was oft nicht erwähnt wird, sind die hohen Einkommen-, Körperschafts- und Kapitalertragsteuern in Österreich. Für Unternehmerinnen und Unternehmen sowie vermögende Privatpersonen zählt jedoch die steuerliche Gesamtsituation. Eine zusätzliche Belastung durch die Vermögenssteuer könnte die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Österreich massiv verschlechtern..
Steuerreformen sollten das Ziel haben, den Wirtschaftsstandort zu stärken und Wachstum zu fördern. Mehr Investitionen und wirtschaftlicher Erfolg führen langfristig zu höheren Steuereinnahmen und einem besseren Lebensstandard für alle. Es sollte attraktiv sein, in Österreich zu investieren und Vermögen aufzubauen, anstatt wohlhabende Personen und Unternehmen zu vergraulen.
Statt sich auf eine Umverteilungspolitik zu konzentrieren, sollten Österreicherinnen und Österreicher ermutigt werden, sich um den Vermögensaufbau zu kümmern. Eine Vermögensteuer, wie sie vorgeschlagen wird, würde das Gegenteil bewirken – und sich kontraproduktiv auf den allgemeinen Wohlstand auswirken.