Die Politik – eine Windelfabrik ohne Windeln 

14. August 2024Lesezeit: 3 Min.
Alexander Purger Illustration
Kommentar von Alexander Purger

Alexander Purger ist Redakteur der Salzburger Nachrichten und schreibt die satirische Kolumne „Purgertorium“. Er ist Autor mehrerer Bücher, darunter der Kanzlerbiografie „Wolfgang Schüssel – Offengelegt“.

Keine zwei Monate sind es noch bis zur Nationalratswahl im Herbst, aber vom Wahlkampf ist derzeit überraschend wenig zu bemerken. Was, werden Sie jetzt sagen, aber es ist doch seit fünf Jahren Wahlkampf! Das stimmt leider, aber trotzdem ist es auffällig, wie sehr die Parteien, je näher die Wahl rückt, immer ängstlicher jede politische Aussage vermeiden. Politik kommt in diesem Wahlkampf, scheint´s, nicht vor. Außer dem beliebten Gesellschaftsspiel „Wer mit wem?“ oder vielmehr: „Wer mit wem nicht?“ ist da nicht viel. Standort? Wettbewerbsfähigkeit? Landesverteidigung? Budgetsanierung? Oder gar Pensionsreform? Nie gehört!  

Politik wird jetzt ohne Politik gemacht. Sie gleicht dem Wettbewerb von Wurstfabriken, die stolz darauf sind, keine Wurst herzustellen. Oder dem Marketingfeldzug einer Windelfabrik, deren einzige Werbebotschaft lautet: Herbei, herbei, bei uns gibt es alles, nur keine Windeln! – Kein Wunder, dass alle so windelweich daherkommen …. 

Und kein Wunder, wer in diesem Wettlauf der Wir-sind-eh-keine-Politiker voran liegt. Bei den etablierten Parteien ist es eine Gruppierung, die behauptet, als einzige nicht dem „System“ (sprich: der Politik) anzugehören. Und bei den neuen Parteien ist eine Gruppierung, die Alkohol im Namen führt und vor allem eines verspricht: eine Politik ohne Politiker. Eine Entpolitisierung der Politik. 

Auch andere Kleinparteien, die bei der Wahl im Herbst antreten wollen, sind stolz darauf, keine Ahnung vom politischen Handwerk zu haben, keine Politiker zu sein und auch keine werden zu wollen. Aber warum, fragt man sich, möchten sie dann unbedingt in den zentralen Versammlungsort der Politik – den Nationalrat – einziehen? Wäre es für all die überzeugten Nicht- und Anti-Politiker nicht viel konsequenter zu sagen: Gebt uns eure Stimmen, wir machen damit garantiert nichts, absolut nichts. Wir gehen nicht in den Nationalrat, nehmen die errungenen Mandate nicht an und kommen dadurch gar nicht in Verlegenheit, Politik zu machen. Dafür wählt uns bitte! 

Der Nationalrat wäre dann nach der Wahl ganz schön schütter besetzt. Was ja prinzipiell nichts Schlechtes sein muss. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten wurde eh viel zu viel Politik betrieben. Nicht wenige meinen, das Land stünde besser da, wenn man die Wirtschaft und die Menschen ungehindert von der Politik hätte werken und leben lassen. Das mag stimmen. Allerdings hat dieses Viel-zu-Viel an Politik mittlerweile derartigen Schaden angerichtet, dass man jetzt noch viel, viel mehr Politik bräuchte, um ihn wieder zu beheben. Aber leider gibt es jetzt auf einmal keine Politiker mehr … 

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