Die Pensionisten sind Gagenkaiser der Jahre 2024 und 2025

6. Dezember 2024Lesezeit: 3 Min.
Kommentar von Gerald Loacker

Gerald Loacker ist Jurist und geschäftsführender Gesellschafter bei der BWI Unternehmensberatung GmbH, die auf Vergütungssysteme und Gehaltsvergleiche spezialisiert ist. Außerdem arbeitet er als Sachverständiger für Berufskunde, Arbeitsorganisation und Betriebsorganisation. Bis Oktober 2024 war er als Abgeordneter zum Nationalrat in den Bereichen Arbeit, Soziales, Gesundheit und Wirtschaft sowie als stellvertretender Klubobmann der NEOS tätig.

Die großen Kollektivvertragsabschlüsse der Herbstlohnrunde sind unter Dach und Fach. Auch die Pensionserhöhung für das neue Jahr steht fest. Eine gute Gelegenheit, einen Blick auf das große Ganze zu werfen.

Mit rund 140.000 Beschäftigten und einer starken Gewerkschaft bildet die Metallindustrie jedes Jahr einen wichtigen Orientierungspunkt für die KV-Abschlüsse anderer Branchen. Der zweijährige Abschluss aus dem Vorjahr sorgt dafür, dass die Bezüge in der Branche um 4,8 Prozent steigen. Bescheidener fallen die Erhöhungen für die Belegschaft im Gewerbe und Handwerk (3,9 Prozent) sowie beispielsweise bei den Brauereien (ebenfalls 3,9 Prozent) aus. Lange um eine Lösung ringen musste heuer wieder der Handel, der für die rund 430.000 Beschäftigten mit einer Erhöhung von 3,3 Prozent über die Ziellinie ging.

Die Entwicklung der Pensionen darf der Entwicklung der Löhne und Gehälter nicht davonlaufen.

Zum zweiten Mal in Folge gehören die Pensionisten zu denjenigen, die sich über die stärksten Erhöhungen freuen können: Plus 4,6 Prozent auf alle Pensionen ab dem 01.01.2025. Weil jede Erhöhung in den Folgejahren verstärkend wirkt, lohnt es sich, den Blickwinkel auf das Vorjahr zu verbreitern: Rechnet man nämlich die Erhöhungen für die Jahre 2024 und 2025 zusammen, schieben sich die Pensionisten an die Spitze der Tabelle: Plus 14,75 Prozent in zwei Jahren. Selbst die Metaller bringen es „nur“ auf 13,7 Prozent. Am unteren Ende finden sich die Beschäftigten im Handel, die sich mit 12,01 Prozent Gehaltserhöhung bescheiden müssen.

Der Vergleich ist deswegen relevant, weil Österreich sein Pensionssystem auf dem Umlageverfahren aufbaut, sodass der Löwenanteil der Pensionen aus den Beiträgen der Erwerbstätigen finanziert wird. Wenn nun die Einkommen der Erwerbstätigen langsamer wachsen, wachsen auch die Beitragseinnahmen der gesetzlichen Pensionsversicherung langsamer als die Leistungen, die bezahlt werden müssen. Damit wird das Delta größer, das mit Steuermitteln aus dem Bundesbudget geschlossen werden muss, euphemistisch „Bundeszuschuss“ genannt.

Auch wenn die Unterschiede zwischen den genannten Prozentsätzen auf den ersten Blick klein aussehen, geht es im Ergebnis um gewaltige Summen. Schließlich müssen 2,5 Millionen Pensionen finanziert werden. Eine hypothetische Rechnung macht den Unterschied fassbar: Wären die Pensionsleistungen des Jahres 2023 im selben Ausmaß gestiegen wie die Gehälter der Handelsangestellten, also um 12,01 Prozent statt um 14,75 Prozent, fiele der Finanzbedarf der gesetzlichen Pensionsversicherung (also ohne Beamte) im Jahr 2025 wesentlich geringer aus, nämlich um rund 1,5 Milliarden Euro.

Man muss kein Pensionsexperte sein, um zu verstehen: Die Entwicklung der Pensionen darf der Entwicklung der Löhne und Gehälter nicht davonlaufen. Auch wenn es sich hier nur um einen Betrachtungszeitraum von zwei Jahren handelt: Ein gutes Pensionssystem lebt immer davon, die gerechtfertigten Interessen der Leistungsbezieher mit den gleichermaßen gerechtfertigten Interessen der Beitragszahler auszubalancieren.

So haben andere Länder wie Schweden, aber auch Deutschland, Nachhaltigkeitsmechanismen in ihren Pensionssystemen implementiert, die sicherstellen, dass die Entwicklung der Pensionen das Einkommenswachstum der Erwerbstätigen nicht übertrifft. Das sollte sich Österreich abschauen: Eine neue Regierung muss die jährliche Pensionserhöhung mit dem Durchschnitt aus Metaller- und Handels-KV-Erhöhung deckeln und damit auf Jahrzehnte hinaus nicht nur milliardenschwere Einsparungen erreichen, sondern auch die Balance zwischen Pensionisten und Erwerbstätigen stabilisieren. Denn nie dürfen in einem Sozialsystem die Bezahlten besser aussteigen als die Zahler.


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