Die Neos-Nöte als drittes schwieriges Rad am Wagen

21. Oktober 2024Lesezeit: 4 Min.
Kommentar von Rainer Nowak

Rainer Nowak ist österreichischer Journalist und Ressortleiter für Wirtschaft und Politik bei der „Kronen Zeitung“. Zuvor war Nowak Chefredakteur, Herausgeber und Geschäftsführer der Tageszeitung „Die Presse“.

„Die Drei von der Tankstelle“ ist eine dank des Titels vielzitierte Filmoperette aus dem Jahr 1930. Es geht um Abenteuer, Liebe, Eifersucht und Happy End dreier Freunde, die nach diversen Wirrungen eine Tankstelle betreiben. Womit jedwede Parallele der Schmonzette zur mutmaßlich künftigen Dreier-Koalition auszuschließen sein dürfte. Aber eine darf ich ziehen: Alles beginnt mit einem Konkurs, die drei kehren von einer Reise zurück und müssen feststellen: Fast ihr gesamtes Hab und Gut ist wegen einer Pleite verloren.

So schlimm steht es um Österreich zwar nicht, aber ohne Sparpaket wird es zu Beginn der Legislaturperiode nicht gehen. Weder werden Karl Nehammers Wunderkuchen mit Zauber-Backpulver in der Rezession so wachsen, wie er es erhofft, noch ist das Deficit Spending angesichts der aktuellen Ausgaben im großen Stil möglich. Das Problem mit der österreichischen Auslegung des Keynesianismus ist immer der falsche Zeitpunkt: Während der Hochkonjunktur wird immer noch mehr Geld ausgegeben, in der Rezession ist dann kein Geld mehr da. Allein: Sich aus einer Rezession herauszusparen war bisher auch kein sehr erfolgreiches Rezept. Es wird daher für alle drei eine mehr als unpopuläre Aufgabe in der kommenden Regierung. Besonders schwierig dürfte es für die Neos werden, die sich lautstark als Reformkraft positioniert haben und daher inhaltlich liefern müssen. 

Fix dürfte sein, dass Beate Meinl-Reisinger und ihr Vertrauter, Wiens Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr, Minister werden dürften. Wiederkehr hat die Nachfolge in Wien schon geregelt, er will auf den Minoritenplatz übersiedeln. Meinl-Reisinger würde gerne das mächtigste Ressort, die Finanzen, übernehmen, aber das ist Verhandlungssache. Apropos lange sitzen: Meinl-Reisinger bereitet sich und die Partei seit Monaten auf die Regierungsverhandlungen vor. Den Sommer mussten oder durften Experten aus Partei und dem Umfeld mit dem innersten Kreis um Meinl-Reisinger Thema nach Thema durchdeklinieren und die Möglichkeiten ausloten. Besser scheint keiner vorbereitet zu sein. Am Papier.  

In der Partei herrscht auch Skepsis, dass die Partei als drittes Rad am Wagen zu wenig inhaltlich durchsetzen kann. Mindestforderungen von mehreren in der Partei: zwei „Neos“-Reformen müssen mit ÖVP und SPÖ außer Streit gestellt werden – das sollte entweder eine echte Bildungs- oder eine Gesundheitsreform sein. In beiden Bereichen verhindern eine unklare Kompetenzzuständigkeit und Verantwortungskette echte notwendige Veränderungen. Soll heißen: Entweder die gesamte Zuständigkeit für die Schulen oder die Gesundheit geht zentral an den Bund oder voll an die Länder. Oder einmal so, einmal so. 

Am Verhandlungstisch liegt auf der Neos-Seite eine Reform künftiger Pensionen, konkret eine Koppelung des Pensionsantrittsalter an die statistische Lebenserwartung. Sowie eine echte Entbürokratisierung: am Anfang soll diese radikal bei der Gewerbeordnung ansetzen. Sollten davon nicht mindestens zwei durchgebracht werden, sehen im Gegensatz zur Parteispitze nicht wenige den Gang in die Opposition als die bessere Option. Das müsse nun schnell verhandelt werden, heißt es in der jungen Partei. 

Als Negativbeispiel fürchten manche das abrupte Aus der Jamaika-Verhandlungen 2017 in Deutschland, als CDU, CSU, Grüne und FDP schon sehr weit waren, aber auf den letzten Metern FDP-Chef Christian Lindner wegen für ihn unmöglichen Zugeständnissen vom Tisch aufgestanden war und Jamaika platzen ließ. Das wurde weder von der Partei noch den Wählern honoriert. Daher sollten sofort die heißen Eisen angepackt werden, lautet die verständliche Forderung. Dass Meinl-Reisinger neue Steuern und Steuererhöhungen ausschließt, könnte ebenfalls noch problematisch werden: Fast alle Wirtschaftsforscher plädieren dafür, etwa die Tabak- oder die Mineralölsteuer, die schon länger nicht erhöht wurden, anzuheben. Zuletzt argumentierte Gabriel Felbermayr vom Wifo im ORF so. Vielleicht wird er eher Finanzminister als Meinl-Reisinger. Wir werden es vielleicht eher früher als später erfahren.