Die harte Wahrheit der Klimapolitik – gescheiterte Ziele, leere Kassen
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Elisabeth Zehetner setzt sich seit mehr als 20 Jahren für innovative Initiativen, junge Unternehmer:innen, Gründer:innen und Frauen in der Wirtschaft ein. Seit März 2025 ist sie Staatssekretärin im Ministerium für Wirtschaft, Energie und Tourismus im Kabinett Christian Stocker. Davor war sie Geschäftsführerin von oecolution austria, der ersten Organisation in Österreich, die zeigt, dass wirtschaftlicher Erfolg und Wohlstand die besten Voraussetzungen für wirksamen Klimaschutz sind. 2024 erschien im ecowing-Verlag ihr erstes Buch „Im Namen des Klimas“.
Die geopolitische und wirtschaftliche Lage hat sich dramatisch verändert. Mit dem Comeback von Donald Trump und seinem bereits angekündigten Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen steht Europa vor einer Zäsur. Besonders für Österreich stellen sich brennende Fragen: Kann man inmitten einer Wirtschaftskrise, die von hohen Energiepreisen, sinkender Wettbewerbsfähigkeit und einer schwächelnden Industrie geprägt ist, weiterhin an utopischen Klimazielen festhalten? Es wird Zeit für eine ehrliche, unbequeme Debatte: Brauchen wir eine radikale Neubewertung der Klimaziele?
Das Ende des moralischen Rausches
Ohne Zweifel gehört es zur menschlichen Natur, nach Höherem zu streben. Große Ziele faszinieren, ambitionierte Versprechen inspirieren. Doch wenn der Ehrgeiz die Realität ignoriert, droht die Tugend in ihr Gegenteil zu kippen: Der Wille zum Fortschritt kann zur Selbstüberschätzung werden, moralischer Eifer zur Unvernunft. Österreichs Klimapolitik steht genau an diesem Punkt.
Die letzten Jahre waren von einer übermäßig moralisierten Klimapolitik geprägt. Ambitionierte Ziele wurden wie ein Wettlauf inszeniert, ein Höher-Schneller-Weiter dominierte die Debatte. Doch inzwischen mehren sich die Stimmen, die vor der Kollision dieser utopischen Visionen mit der Realität warnen.
Tatsächlich ist keines der sechs europäischen Länder, die vor 2050 klimaneutral sein wollten, auf Kurs – Österreich ist dabei nach Island das Land, das seine Ziele am weitesten verfehlt. Stattdessen zeigt sich: Die Kosten des sogenannten „Gold-Plating“, also das Setzen übertriebener Ziele über die EU-Vorgaben hinaus, übersteigen mittlerweile die vermeintlichen Vorteile bei Weitem.
Warum wir an den Klimazielen scheitern
Schauen wir auf die Fakten: Finnland, Schweden, Deutschland, Island, Dänemark – ambitionierte Versprechen, bittere Ergebnisse. Laut aktuellen Prognosen können diese Staaten ihre selbst gesetzten Ziele für 2035, 2040 oder 2045 nicht erreichen. Dänemark, ein Paradebeispiel für technologischen Fortschritt, ist 25 Prozentpunkte vom Ziel der Klimaneutralität bis 2045 entfernt und hängt von ungewissen Fortschritten in der Carbon-Capture-Technologie ab. Deutschland wird seine Klimaziele für 2030 massiv verfehlen und kämpft bereits mit den Folgen einer Deindustrialisierung. Island, das Vorbild vieler Klimafanatiker, hat sogar steigende Emissionen zu verzeichnen. Und Österreich? Laut Umweltbundesamt werden wir bis 2040 voraussichtlich nicht einmal 55 Prozent Emissionsminderung erreichen.
Warum scheitern diese Länder? Die Ursachen sind ähnlich: unrealistische Zielsetzungen, fehlende technologische Alternativen und überlastete Staatshaushalte. Besonders Österreich hat sich durch exzessive Schulden und ineffiziente Klimapolitik selbst in eine Sackgasse manövriert. Die Maastricht-Grenze wird weit überschritten, der Staatshaushalt hat kaum Spielraum für notwendige Investitionen.
Was bedeutet Klimaneutralität wirklich?
Die EU definiert Klimaneutralität als Ausgleich zwischen Emissionen und CO2-Bindung durch natürliche oder technische Mittel. Doch hier liegt der Teufel im Detail. Viele Länder, wie Finnland oder Schweden, rechnen großzügig ihre Waldflächen ein – trotz sinkender Speicherleistungen. In Österreich fehlt sogar eine klare Definition von Klimaneutralität. ÖVP und Grüne konnten sich in ihrer Koalition nicht auf einen detaillierten Fahrplan einigen. Der nationale Energie- und Klimaplan ist ein Sammelsurium an Absichtserklärungen ohne belastbare Grundlage.
Ein weiteres Problem ist die stark industrielle Struktur Österreichs. Fast 50 Prozent der Wirtschaftsemissionen stammen aus schwer zu dekarbonisierenden Branchen wie Stahl- und Zementproduktion. Ohne Carbon Capture and Storage (CCS) wird die Klimaneutralität ein frommer Wunsch bleiben. Doch auch hier steht Österreich erst am Anfang: Während andere Länder wie Dänemark Milliarden in CCS investieren, fehlen hierzulande gesetzliche Rahmenbedingungen.
Vier Prinzipien für eine realistische Klimapolitik
Es ist an der Zeit, den Kurs zu ändern. Klimapolitik darf kein moralischer Selbstzweck sein, sondern muss auf Realismus und wirtschaftlicher Vernunft basieren. Eine effektive Klimapolitik sollte sich an vier Grundprinzipien orientieren:
1. Ehrlichkeit statt Illusionen
Ziele, die nicht erreichbar sind, schaden der Glaubwürdigkeit und führen zu Frustration. Österreich muss sich von übertriebenen Gold-Plating-Zielen verabschieden und sich wieder am EU-Ziel für 2050 orientieren.
2. Technologieoffenheit statt Dogmatismus
Innovation ist der wahre Hebel für Klimaschutz. CCS, Wasserstoff und Digitalisierung bieten enorme Potenziale, die genutzt werden müssen. Der Verzicht auf diese Technologien wäre ein gravierender Fehler.
3. Maß und Mitte
Klimaschutz darf nicht auf Kosten der Wettbewerbsfähigkeit gehen. Ein starker Standort ist Voraussetzung für nachhaltige Investitionen und den Erhalt von Arbeitsplätzen.
4. Fokus auf globale Hebel
Anstatt sich in nationalen Detailzielen zu verlieren, sollte Österreich seine Stärken in Umwelt- und Energietechnologien nutzen und weltweit exportieren. Das ist nicht nur effektiver, sondern stärkt auch die heimische Wirtschaft.
Fazit: Klimaschutz ist Pflicht, nicht Kür.
Österreich sollte sich wieder am EU-Ziel 2050 orientieren – nicht aus Bequemlichkeit, sondern aus kluger Abwägung. Klimaschutz ist kein Selbstzweck. Wer glaubt, dass unrealistische Zielsetzungen für die Umwelt gut sind, irrt. Sie führen nur zu Frustration, wirtschaftlicher Schwächung und letztlich zu weniger Klimaschutz. Was jetzt gebraucht wird, ist eine Neuausrichtung hin zu pragmatischer, wirtschaftlich tragfähiger Klimapolitik. Wir brauchen eine Politik, die den Standort stärkt, technologischen Fortschritt fördert und realistisch mit den Herausforderungen umgeht. Mit dem Gold-Standard glänzen zu wollen, während der standortpolitische Lack abblättert, ist der falsche Weg für Österreich. Denn ohne wirtschaftliche Stärke und technologische Fortschritte bleibt Klimaschutz ein leeres Versprechen.