Die „grüne Demokratie“ der Wachstumsgegner

31. Mai 2024Lesezeit: 3 Min.
Sara Grasel Illustration
Kommentar von Sara Grasel

Sara Grasel ist Chefredakteurin von Selektiv. Sie ist seit fast 20 Jahren Wirtschaftsjournalistin mit Stationen bei „Die Presse“, Trending Topics und brutkasten. Zuletzt war sie Chefredakteurin der Magazine der Industriellenvereinigung.

Feiertage muss man wohl nehmen wie sie fallen, auch, wenn man für ein besseres Klima streikt. Und so kommt es, dass „Fridays for Future“ ausgerechnet an einem Fenstertag für eine „klimagerechte EU“ städtische Straßen blockieren müssen – denn der letzte Freitag vor Beginn der EU-Wahl (6.-9. Juni) fällt eben auf den Tag zwischen Fronleichnam und Samstag, an dem wohl viele auf Kurzurlaub sind. Falls sie nicht ebenfalls das lange Wochenende genießen, werden sich auf den Klimademos auch wieder einige Degrowth-Anhänger tummeln.

Einer von ihnen, der auch regelmäßig bei einschlägigen Kundgebungen auftritt, ist Max Hollweg von Attac Österreich. Er erklärt das Konzept in einem Standard-Interview so: „durch bewusstes Schrumpfen (soll) ein Wohlergehen aller Menschen“ herbeigeführt werden. Es gehe um „eine demokratisch beschlossene Reduktion des Material- und des Energieverbrauchs in der Gesellschaft“. Gemeint ist wohl eine spezielle, grüne Demokratie der manchen. Dass kollektiver Verzicht entkoppelt von marktwirtschaftlichen Prinzipien nicht mehrheitsfähig ist, sieht man beispielsweise an den rückläufigen Verkaufszahlen von E-Autos. So mancher Hersteller wartet mit einer wenig überraschenden Ankündigung auf: Wir werden Verbrenner verkaufen, solange Kunden sie nachfragen.

Es muss eben noch mehr Hirnschmalz und Investment in Forschung und Infrastruktur fließen, um die grüne Wende bei PKW Realität werden zu lassen – eine gewisse Technologieoffenheit hat dabei auch noch nie geschadet. Das schafft Arbeitsplätze und sorgt für Innovation. Das wäre aber ein ganz anderer Ansatz, als jener von Hollweg und anderen Degrowth-Anhängern. Das wäre nämlich nicht nur ein Gewinn an Freiheit, sondern auch eine Entscheidung für Wachstum. Wachstum abzulehnen ist aus ökonomischer und gesellschaftlicher Sicht ein ziemlich dummer Gedanke. Jene Freiheit, die in den vergangenen Jahrzehnten in Ländern wie Österreich zu einem massiven Wirtschaftswachstum geführt hat, hat Armut reduziert und Wohlstand gebracht. Das ist die finanzielle Grundlage unseres zurecht gut ausgebauten Sozialstaats. Nur mit Wachstum schaffen wir die Mittel und Möglichkeiten der grünen Wende.

Dass Wachstum kein „Klimakiller“ ist, zeigen auch ganz aktuelle Berechnungen. Ganz im Gegenteil. Das Wirtschaftsforschungsinstitut EcoAustria kommt zu dem Ergebnis, dass ohne Wirtschaftswachstum keine Dekarbonisierung möglich ist. Denn zur Erreichung der Klimaziele braucht es Forschung, Innovation und eine Umsetzung der entsprechenden Ergebnisse in Unternehmen. Um die Emissionen bis 2040 um 41 Prozent zu reduzieren, ist laut den Ökonomen eine reale jährliche Wachstumsrate des BIP von 4,3 Prozent erforderlich. Noch ambitionierter ist das Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2040, für das eine Wachstumsrate von 7,4 Prozent notwendig wäre. Gleichzeitig sind in den vergangenen Jahren bei wachsendem BIP in Österreich die CO2-Emissionen vergleichsweise stabil geblieben. Wachstum bedeutet also nicht, dass die Belastung für das Klima im selben Ausmaß steigt.

Statt an einem Fenstertag auf der Straße für das unkonkrete Ziel „mehr Klimaschutz“ zu demonstrieren, wäre es für junge Menschen wesentlich effizienter, ihre Ausbildung so anzulegen, dass sie in der Wissenschaft oder Forschung und Technologieentwicklung in Unternehmen einen Beitrag zur grünen Wende als Wachstumstreiber leisten können.

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