Die Absurdität der Debatte rund um ein Hard, Soft oder No Landing

8. November 2024Lesezeit: 4 Min.
Kommentar von Heike Lehner

Heike Lehner ist freiberufliche Ökonomin. Ihre Spezialgebiete liegen im Bereich der Geldpolitik und Finanzwirtschaft, wozu sie aktuell ebenso promoviert.

Spätestens seitdem die Zinsen das letzte Mal erhöht wurden, wurde die Diskussion des „hard“ oder „soft landings“ entfacht: Nach jedem neuen Datenpunkt, nach jeder noch so unwichtigen Information über die Wirtschaftslage insbesondere in der Eurozone und der USA versuchte man herauszulesen, ob die Wirtschaft aufgrund der stark gestiegenen Zinsen in eine Rezession schlittern würde oder nicht. Ein sogenanntes „soft landing“, also wenn die Wirtschaft nach Zinserhöhungen ohne darauffolgende Rezession stabilisiert wird, gilt fast als der heilige Gral der Geldpolitik. Es wäre ein gelungener Zinszyklus, wo man die Inflation in den Griff bekommen würde, ohne die Wirtschaft mit hohen Zinsen zu stark abgewürgt zu haben. Ansonsten spricht man von einem „hard landing“. Doch gerade in einer von Unsicherheit geprägten Zeit wie der jetzigen, ist diese Debatte wenig zielführend und verkennt die Komplexität der wirtschaftlichen Situation. Aktuell scheint sie vor allem in der Eurozone schlicht absurd.

Geldpolitik ist selbst in normalen Zeiten nicht fein und präzise steuerbar. Sie wirkt mit „langen und variablen Verzögerungen“, wie bereits Milton Friedman gesagt hat. Das macht es an sich schon schwer, zu entscheiden, wann und wie stark beispielsweise Zinsen gesenkt oder erhöht werden müssen. Gleichzeitig führen diese Verzögerungen zu menschlichen Fehlern. Zinsen bleiben so etwa zu lange oder zu kurz zu hoch oder werden zu rasch, zu stark oder zu schwach gesenkt. Eben weil die Auswirkungen zum Zeitpunkt der geldpolitischen Entscheidung noch nicht ausreichend sichtbar sind. Es ist eine Kunst – und die Effekte zu prognostizieren ist schwierig.

Dass Wirtschaftsprognosen oft mit einer Genauigkeit präsentiert werden, die der Realität dann oft nicht standhalten kann, ist bekannt. Modelle basieren auf Annahmen und historischen Bedingungen. Da insbesondere die letzten Jahre von externen Schocks wie Pandemien, Kriege und volatilen, politischen Entwicklungen geprägt waren, sind die Ungenauigkeiten der Prognosen auch nicht weiter verwunderlich. Szenariobasierte Inflationsprognosen, wie sie die Europäische Zentralbank (EZB) seit der Pandemie veröffentlicht, sind daher hilfreich. Die Auswirkungen möglicher Zukunftsszenarien können so besser abgeschätzt werden. Die vielen globalen Unsicherheiten resultieren jedoch auch darin, dass bei jeder neuen Information über die Wirtschaftslage die Wogen hochgehen. Die Angst eines „hard landings“ ist – zumindest in der öffentlichen Debatte – groß. Eine Rezession oder Instabilitäten auf den Finanzmärkten, aufgrund deren die Zinsen dann nochmal stärker gesenkt werden müssen, wird befürchtet. Die Meinungen hierzu ändern sich gefühlt täglich, jede kleine Abweichung der Erwartungen wird bis ins kleinste Detail analysiert. Und das, obwohl besonders in den USA aktuell die Gefahr geringer ist als bei uns. Hohe Wachstumszahlen gepaart mit niedriger Arbeitslosigkeit lassen die Ängste unbegründet erscheinen. Teilweise wird dort sogar ein „no landing“ diskutiert – also eine weiter stark oder zumindest moderat wachsende Wirtschaft und ein resilienter Arbeitsmarkt.

In der Eurozone wiederum muss man sich fragen, wieso man diese Diskussion überhaupt führt. Selbst eine mögliche Rezession würde nur marginal geringere Wachstumszahlen wie die jetzigen bedeuten. Zum aktuellen Zeitpunkt gehen übrigens sowohl die US-Notenbank Fed als auch die EZB von einem „soft landing“ aus.

Auch in naher Zukunft werden die Unsicherheiten kaum geringer werden. Sei es aufgrund des Wahlsiegs von Donald Trump, den politischen Instabilitäten in Deutschland oder anderen geopolitischen Themen. Während es für die Geldpolitik natürlich interessant ist, wie sich nun die Auswirkungen der starken Zinserhöhungen gestalten, ist die Debatte in der Öffentlichkeit wenig zielführend. Auch in der Eurozone sollten wir uns eher darauf fokussieren, Europa zukunftsfit zu machen. Die öffentliche Diskussion lenkt von den eigentlichen Problemen ab, die struktureller Natur sind. Sie verkennt die Komplexität und die vielen Herausforderungen, die wir zu stemmen haben. Und das können wir uns jetzt schlicht nicht mehr leisten.