Der schmale Grat zwischen Sicherheit und Freiheit

10. Juli 2024Lesezeit: 3 Min.
Kommentar von Markus Hengstschläger

Der Genetiker Markus Hengstschläger ist Leiter des Instituts für Medizinische Genetik und Organisationseinheitsleiter des Zentrums für Pathobiochemie und Genetik an der Medizinischen Universität Wien und u.a. auch stellvertretender Vorsitzender der österreichischen Bioethikkommission, Aufsichtsratsvorsitzender der Gesellschaft für Forschungsförderung Niederösterreich, Kuratoriumsmitglied des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds und Gründer und Leiter des Symposiums „Impact Lech“.

Bereits zum dritten Mal habe ich mir erlaubt, die klügsten Köpfe in das schöne Lech zu lotsen, um mit unterschiedlichsten Expertisen und aus ganz verschiedenen Perspektiven ein einziges Thema zu debattieren. Das Thema, das ich für das Impact Lech Symposium im Juni 2024 ausgegeben habe, war „Der Faktor Sicherheit: Vom Grundbedürfnis in unsicheren Zeiten bis zur freiheitseinschränkenden Überregulierung als Innovationsbremse (nachzulesen und nachzuschauen unter www.impact-lech.at).

Ja, es braucht eine Vielzahl neuer innovativer Lösungen, wenn es zum Beispiel darum geht, ein Land zu schützen, Menschen vor Terror zu schützen, kritische Infrastrukturen zu schützen und Versorgungssicherheit in Bereichen wie Verkehr und Transportwesen, Energie, Wasser, Ernährung oder Medizin zu gewährleisten. Cyberkriminalität ist nach den USA und China bereits die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt! Und was betreffend „Versorgung“ so nicht mehr stimmt: China versorgt uns mit billigen Produkten aller Art, Russland mit Energie und die USA mit Schutz. Die Diskussionen rund um die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen internationaler Unsicherheiten polarisieren auf Almhütten in Lech genauso wie in allen Wirtschafts- und Industriemetropolen Europas.

Mein eindrücklichstes Erlebnis hatte ich allerdings bei der Open-Kitchen-Party im Hotel „Gasthof Post“, als ich wieder einmal mit Augenzwinkern meine Formel 3/24 erläuterte. Ganz grob zusammengefasst: Wir sollten in Österreich endlich damit aufhören, beim Auftreten einer neuen Herausforderung in bewährter Aufgeregtheit die Fragen zu stellen „Wer hat Schuld und auf wen kann ich das Problem abwälzen?“ (besonders präsent bei politischen TV-Diskussionen). Anstelle dessen sollte jede und jeder von uns selbst sich die Aufgabe stellen, in den nächsten 24 Stunden drei Lösungsansätze dafür vorschlagen zu können. Und dann treffen wir uns, diskutieren die unterschiedlichen Ideen, möglichen Prototypen und Pilotstudien und probieren. Und wir archivieren solche, die funktionieren genauso wie solche, die nicht die Lösung waren. Ja, wir wollen Fehler machen, aber den gleichen nicht zu oft. Und außerdem kann es ja für Herausforderungen in anderen Bereichen eine gute Lösung sein. Und gerade eine Open-Kitchen-Party mit CEOs, Wissenschafterinnen und Wissenschaftern, Gründerinnen und Gründern, Journalistinnen Journalisten sowie Vor- und Mitdenkerinnen und -Denker aus verschiedensten Bereichen ist ein inspirierender Rahmen für das Nachdenken an Schnittflächen.

Mein eindrücklichstes Erlebnis? Je länger der Abend wurde, umso größer war die Übereinstimmung: Ja, wir brauchen Grenzen, Regeln und Gesetze, um objektiv vorhandene und subjektiv gefühlte Sicherheit von Individuen und Gemeinschaften in unserer Zeit gewährleisten zu können. Aber andererseits braucht das Leben und innovative Arbeiten des Menschen auch Freiheit. In Österreich, wie auch in vielen anderen europäischen Ländern, treffen Innovationskraft und Entrepreneurship auf zu viele Gesetze, Regulierungen, Verbote und auf zu viel Bürokratie. Anderswo wird jemand, der eine neue Lösung ausprobieren will, gründen will und Neuland betreten will, nicht unentwegt damit konfrontiert, was er nicht darf. China produziert, USA innoviert, die EU reguliert? Noch sind wir hier. Die Politik muss aber gewissenhaft darüber nachdenken, was es zu tun gilt, dass unsere Wissenschaft, Wirtschaft und Industrie nicht bald anderswo sind.

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