Wirtschaft ohne Wachstum – eine arrogante Idee
Sara Grasel ist Chefredakteurin von Selektiv. Sie ist seit fast 20 Jahren Wirtschaftsjournalistin mit Stationen bei „Die Presse“, Trending Topics und brutkasten. Zuletzt war sie Chefredakteurin der Magazine der Industriellenvereinigung.
Das Parlament ist ein Ort, an dem man das Aufeinanderprallen verschiedener Welten sicher gewohnt ist. Dieser Tage kann man dort aber ein schon fast skurril anmutendes Schauspiel beobachten. Während im Plenarsaal ab heute wieder über wirtschaftspolitische Maßnahmen diskutiert wird und gestern der „Senat der Wirtschaft“ zu einem Event rund um Politik für mittelständische Unternehmen ins Parlaments-Restaurant lud, fand zwei Tage zuvor noch ein paar Türen weiter eine Konferenz mit dem Titel Beyond Growth statt. Wenn Sie nun an die Chancen denken, die sich durch respektive jenseits, also beyond, Phasen des starken Wirtschaftswachstums ergeben, liegen sie falsch. Wäre ja auch ein seltsames Event in Zeiten rezessiver Stimmung. Zuerst müssen wir uns doch um einen starken Wachstumsschub kümmern. Aber auf dieser Konferenz geht es um etwas ganz anderes.
Beyond Growth ist das neue Wort für Degrowth. Es geht also um „Wohlstand und gesellschaftliche Stabilität unabhängig vom Wirtschaftswachstum“, wie der Organisator Global2000 es formuliert. Jetzt kann man das als Nischenevent einer NGO abtun. Zur Eröffnung luden jedenfalls die Klubs der Grünen und der SPÖ – „Wirtschaft ohne Wachstum, wie soll das gehen?“ heißt es in einer entsprechenden Presseaussendung der Grünen. Eine berechtigte Frage. Global2000 hat da zum Beispiel diese Idee: „eine Ausweitung der öffentlichen Daseinsvorsorge“. Selbst das simple Prinzip, dass nur verteilt werden kann, was vorher erarbeitet wurde, scheint immer öfter vergessen zu werden. Offenbar gibt es hier ein Missverständnis darüber, wie durch Fortschritt, Innovation und Leistung Wohlstand geschaffen wird.
Dass eine Erhöhung der Sozialausgaben und strengere Arbeitsgesetzgebung automatisch zu mehr Wohlstand führen, ist schlichtweg falsch. Im Gegenteil: Es braucht dazu – bei einem klaren rechtlichen Rahmen – so viel unternehmerische Freiheit wie möglich. Es braucht keine neuen Steuern, sondern Anreize zu entsprechendem Lohn für mehr Leistung, es braucht fairen Handel mit verlässlichen Partnern und Stolz auf erfolgreiches Unternehmertum! Das ist die Basis für Lebensqualität und soziale Sicherheit und nicht umgekehrt. Das Ende von Wachstum ist eine arrogante Idee, die einen unweigerlich an Wohlstandsverwahrlosung denken lässt. Ohne Wachstum keine Beschäftigung und keine notwendigen Innovationen. Wir brauchen Wachstum, um soziale und ökologische Probleme zu lösen.