Das Dieselprivileg kann bleiben

6. September 2024Lesezeit: 3 Min.
Kommentar von Georg Renner

Georg Renner ist freier Journalist in Niederösterreich und Wien mit Fokus auf Sachpolitik. Er publiziert unter anderem für „Datum“ und „WZ“, zuvor war er nach Stationen bei der „Presse“, „NZZ.at“ und „Addendum“ Innenpolitikchef der „Kleine Zeitung“.

Weil zuletzt ja die enorme Gefahr bestanden hatte, dass wir unsere scheidende Regierungskoalition für zu konstruktiv, zu harmonisch gehalten hätten, haben sich ÖVP und Grüne einen netten Plottwist einfallen lassen: Sie haben sich zwar – verspätet, aber immerhin – auf einen Nationalen Energie- und Klimaplan geeinigt, den die Republik nach Brüssel schickt – aber sich quasi Minuten später darüber in die Haare bekommen, was sie damit eigentlich meinen.

Der Plan enthält (wie schon das Regierungsprogramm) nämlich die vage Formulierung, dass Österreich bis 2030 klimaschädliche Förderungen „schrittweise abbauen“ werde – welche das konkret sind und wie genau sie abgebaut werden sollen, bleibt aber künftigen Koalitionen überlassen, es ist ja nur ein Plan.

Im Zentrum der Diskussion steht seither das „Dieselprivileg“ – die Tatsache, dass die Mineralölsteuer auf Diesel aus historischen Gründen mit 42,5 Cent pro Liter Diesel günstiger ausfällt als auf Benzin (51,5 Cent pro Liter). Sehr vereinfacht gesagt: Die Grünen würden es lieber heute als morgen abschaffen, die ÖVP verspricht, das Privileg soll bleiben.

Außer Streit steht – das sehen sowohl Finanzministerium als auch Wifo so – dass das Dieselprivileg eine klimaschädliche Förderung ist. Dieselfahrzeuge, deren Anteil in Österreich dank des günstigeren Steuersatzes höher ist als jener von Benzinern, sind deutlich klima- und umweltschädlicher. Und der Fiskus würde je nach Berechnungsart zwischen 600 Millionen und mehr als einer Milliarde Euro mehr einnehmen, wenn er die Steuer auf das Niveau von Benzin anheben würde.

Wenn wir beurteilen wollen, ob wir das „Privileg“ abschaffen, müssen wir aber noch einen Schritt zurück machen, um die heimische Klimapolitik als Ganzes zu betrachten: Sinn der Übung ist, die Treibhausgas-Emissionen Österreichs auf null zu bekommen. Der extremste, effektivste Weg dazu wäre, unsere gesamte Zivilisation anzuhalten: Keine Heizung, keine Fahrzeuge, keine Industrie, keine Düngemittel, und so weiter.

Das will natürlich niemand – schon allein, weil sich die Emissionen weitgehend ins Ausland verlegen würden, weil unsere Produktion einfach anderswo stattfinden würde. Um unseren Wohlstand auch in einer CO2-neutralen Welt zu erhalten, ist der sinnvollste Weg, die Emissionen im Gleichschritt mit anderen Staaten – idealerweise in der ganzen Welt, zumindest aber in Europa – herunterzubekommen.

Wenn wir diese Methode – Emissionen in den nächsten Jahren abbauen, ohne unsere Wirtschaft abzuwürgen – voraussetzen, heißt das für alle Bereiche, in denen wir fossile Energieträger verbrennen: Es muss einen klaren Pfad zum Ausstieg daraus geben. Das betrifft auch und besonders die Mobilität.

Und genau deswegen ist die Frage nach dem Dieselprivileg eine Themenverfehlung: Die Koalition hat Österreich mit der CO2-Besteuerung, die in den nächsten Jahren in ein nationales oder europäisches Emissionshandelssystem übergeführt werden soll, nämlich schon auf einen Pfad gebracht, der Benzin, Diesel und Gas gleichermaßen teurer machen wird – und so mittel- bis langfristig Marktanreize setzen wird, auf emissionsfreie Motoren umzusteigen. Das ist ein sinnvoller Weg, das zu tun, und die nächsten Gesetzgeber sollten daran festhalten.

Würde man jetzt zusätzlich noch das Dieselprivileg abschaffen, würde das nicht nur den Individualverkehr, sondern vor allem Unternehmen treffen, die plötzlich mit deutlich höheren Treibstoffkosten kalkulieren müssten – in Zeiten eines dramatischen Wirtschaftseinbruchs generell keine gute Idee.

Nein, diese Diskussion ist nicht sinnvoll – besser wäre es, wenn Fahrer und Fuhrparkbetreiber über die gezielte CO2-Abgabe (vorzugsweise im EU-Verbund) das Signal bekommen, langfristig auf saubere Antriebe setzen zu müssen. Das erlaubt einen geplanten, maßvollen Aussstieg aus schmutzigen Technologien – ohne den ohnehin stotternden Wirtschafts-Motor abzuwürgen.

Das beste beider Welten, quasi – war da nicht mal was?

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