Die Erbschaftssteuer durch die Hintertür

5. Dezember 2024Lesezeit: 4 Min.
Kommentar von Gerhard Jelinek

Gerhard Jelinek ist ein österreichischer Journalist, Fernsehmoderator und Buchautor. Der Jurist und erfahrene Journalist gestaltete rund 70 politische und zeitgeschichtliche Dokumentationen und Porträts.

Wir wissen nichts, aber hören doch alles. Mehr als dreihundert Koalitions-Verhandler (und auch -innen) in den diversen Gruppen können nicht schweigen. Wer einen solchen Verhandlungsprozess so aufsetzt, rechnet damit, dass nichts geheim bleibt. Die von vielen (also den zwei, drei Politikwissenschaftern, die in den Medien gerne zitiert werden) geforderte „große Erzählung“, warum es diese Dreier-Koalition geben soll/muss, die gibt es schon: „Wir müssen zusammen regieren, weil bei allfälligen Neuwahlen die FPÖ des Herbert Kickl an die 35 Prozent kommen könnte, und das wollen wir noch ein paar Jahre hinauszögern.“ Ob das reicht?

Immerhin ist ja jetzt klar, dass das, was vor der Wahl gesagt wurde, eh nicht gilt. Überraschung. Im Haushaltsplan klafft eine Lücke von fünf Milliarden Euro (mindestens und das Jahr für Jahr). Das Nehammer-Konzept, sich durch Wachstum aus der Schuldenfalle zu befreien, wird wohl nicht klappen. Österreichs Wirtschaft schrumpft schon sechs Quartale hintereinander (und wieder haben es die Wirtschaftsforscher falsch berechnet). Also wird das Budget endlich „ausgabenseitig“ saniert – wer es glaubt. Toll wäre es, den Staat einmal „aufgabenseitig“ zu finanzieren.

Der ÖVP-Kanzler hat die Volte schon eingeleitet. Ein paar Steuererhöhungen könnte es schon geben, verriet er, den Bundesländer-Zeitungen. Wenn die Immobilien-Erwerbssteuer weiter erhöht werden sollte, dann wirkt das wie eine Erbschaftssteuer, klingt aber so technisch, dass es kaum jemand versteht. Das gleiche gilt für die Grundsteuer, bringt nicht viel (oder kann sich wer vorstellen, dass die größten Grundeigentümer, die da wären Bauern, Bundesforste, Kirche und Gemeinde Wien, wirklich zur Kasse gebeten werden)? Vizekanzler in spe Babler könnte das seinen linken Genossen aber so verkaufen, dass die „Reichen bluten“ müssen.

Dabei gäbe es doch viele kleine Schrauben, an denen gedreht werden könnte. Ein Beispiel: Aus der Gesundheits-Verhandlungsgruppe etwa hören Hellhörige, dass erstaunliche Phantasielosigkeit herrscht. Das ist angesichts der (ver-)handelnden Personen auch nicht verwunderlich. Rote und schwarze Ländervertreter, rote und schwarze Kassenfunktionäre und eine Ex-Gesundheitsministerin. Was soll da rauskommen? 

Mit ein bisschen Mut wären aber doch hunderte Millionen Euro zur Budget-Gesundung zu holen, einfachheitshalber „einnahmeseitig“. Die „Service-Pauschale“ für unser aller e-Card beträgt gerade mal 13,80 Euro, pro Jahr! Mit einer Anhebung auf 100 Euro wäre eine Finanzspritze von ein paar Hundert Millionen Euro fürs Gesundheitssystem möglich. Schließlich protestiert niemand, dass die Autobahn-Vignette jetzt auch schon mehr als 100 Euro kostet. Auch ein Mini-Selbstbehalt (vielleicht im Wert eines Häferls Punsch am Wiener Christkindlmarkt) für den Arztbesuch brächte bei rund 35 Millionen Arztkontakten pro Jahr 250 Millionen Euro für notwendige Verbesserungen. Und der Spitalskostenbeitrag  (den gibt es) könnte still und leise (unter Wahrung aller sozialen Ausnahmen) auf 20 Euro verdoppelt werden. Das können sich die Österreicherinnen und Österreicher nicht leisten? Angesichts von knapp 30 Millionen Urlaubsreisen, wäre das ein unsinniges Argument. Nachdem die Österreicherinnen und Österreicher durch ihr Wahlverhalten (zuletzt in der Steiermark) zum Ausdruck bringen, dass ihnen eine ineffiziente Spitalsorganisation, die zwar teuer ist, aber weniger qualitative Versorgung bietet, wichtiger als Effizienz und Vernunft ist, ist das eben der Preis, der zu zahlen wäre.

Natürlich könnte die Politik auch dafür sorgen, dass in Zentralspitälern die teuren Operationssäle tatsächlich genützt werden können, weil es ausreichend Personal dafür gibt (gäbe es eh, wenn man das Pflegepersonal nicht für Verwaltungs- und Dokumentationskram verwenden würde) und nicht ganze Bettenstationen gesperrt bleiben. Und ja, an der Bezahlung kann es nicht mehr liegen. Ärzte- und Pflegepersonal haben in den letzten Jahren eine deutliche finanzielle Aufwertung bekommen. Viele würden auch gern länger (in der Praxis) arbeiten, allein „das System“ prämiert über steuerliche Vor- und Nachteile das Ausscheiden von Ärzten aus dem Beruf. Verstehe, wer wolle.

Und übrigens; Warum braucht und finanziert dieses Land ein halbes Dutzend Wirtschaftsforschungsinstitute (Nationalbank und Statistik Austria inklusive), die doch weniger präzise rechnen, als ein, zwei privat finanzierte Institutionen das auch können?