Monika Köppl-Turyna ist Direktorin von Eco Austria © Selektiv
Monika Köppl-Turyna ist Direktorin von Eco Austria © Selektiv
Interview

Köppl-Turyna: „Das ist eine zusätzliche Belastung der jungen Generation“

FPÖ und ÖVP haben ihren Plan zur Budgetsanierung für 2025 vorgelegt. Durch eine Reduktion der Förderungen sollen 3,2 Milliarden Euro eingespart werden – darunter fallen die Abschaffung des Klimabonus (-2 Mrd. Euro), eine Reduktion von Umweltförderungen im Umfang von 495 Mio. Euro, die Abschaffung der Bildungskarenz (-350 Mio. Euro) und die Abschaffung des kostenlosen Klimatickets für 18-Jährige (-120 Mio. Euro). In den Ministerien sollen insgesamt 1,1 Mrd. Euro eingespart werden. Zusätzlich sind weitere Maßnahmen im Steuersystem geplant. Im Pensionssystem wird es nur kleine Anpassungen geben.

Ökonomin und EcoAustria-Direktorin Monika Köppl-Turyna findet gut, dass das Budget primär ausgabenseitig saniert wird. „Positiv überrascht“ ist sie von Steueranpassungen für E-Autos, bei Klimaticket und Pensionen wäre aus ihrer Sicht jedoch mehr drin gewesen. Grundsätzlich mahnt sie, nicht aus dem Blick zu verlieren, dass der Sparbedarf für ein ausgeglichenes Budget noch wesentlich höher wäre – 12 Mrd. Euro müssten dafür pro Jahr eingespart werden.

Im Vorfeld der gestern präsentierten Maßnahmen zur Budgetsanierung ist wochenlang darüber diskutiert worden, wie ein richtiger Mix aussehen soll und ob nun rein ausgabenseitig oder auch über neue Einnahmen saniert werden soll. Wie ist der Mix aus Ihrer Sicht nun gelungen? 

Monika Köppl-Turyna: Es ist jedenfalls zu begrüßen, dass primär ausgabenseitig saniert wird. Die Steuererhöhungen, die geplant sind, sind aus meiner Sicht sinnvoll – im Vorfeld waren ja durchaus auch Steuererhöhungen in Diskussion, die sehr negative wirtschaftliche Konsequenzen hätten. Solche sieht man hier jetzt nicht. Tabaksteuer und Digitalsteuer sind vernünftig und positiv überrascht hat mich das Thema E-Mobilität – aus einem pragmatischen Grund, denn viele Steuereinnahmen aus Mobilität betreffen E-Autos nicht und wenn deren Anteil stiegt, sinken dadurch mittelfristig die Einnahmen. Ich bin sehr froh, dass man hier langfristig denkt und den Trendwechsel zur E-Mobilität steuerlich berücksichtigt. 

Ersten Schätzungen zufolge werden die Maßnahmen die Abgabenquote um 0,6 Prozentpunkte anheben. Wir haben mit 43,5 Prozent schon jetzt eine der höchsten Abgabenquoten. Ist diese Steigerung ein Problem? 

Köppl-Turyna: Zum Teil liegt diese Steigerung daran, dass der Klimabonus statistisch als Abgabenquote-senkende Maßnahme erfasst wird, was natürlich auch so zu sehen ist (weil er die CO2-Abgabe kompensiert, Anm.). Deshalb glaube ich schon, dass die CO2-Bepreisung irgendwie an die Bevölkerung rückverteilt werden sollte, allerdings am besten über eine Steuersenkung an anderer Stelle. Mit dem Green Deal wird der CO2-Preis ab 2027 ja womöglich noch viel höher sein als jetzt. Im Gegenzug sollte man die Einkommensteuer reduzieren oder die Umsatzsteuer – was auch immer man genau erreichen will. Kurzfristig ist jetzt zu akzeptieren, dass so saniert wird, aber mittelfristig wünsche ich mir schon, dass die Abgabenquote wieder zurückgeht. Wir können schädliche Dinge wie CO2-Emissionen übersteuern und dafür in anderen Bereichen entlasten.  

Das Klimaticket ist im jetzigen Sanierungsplan sehr sanft angefasst worden. Lange Zeit stand eine Abschaffung im Raum. Hat Sie das Ergebnis überrascht? 

Köppl-Turyna: Das hat mich tatsächlich überrascht. Es stellt sich beim Klimaticket schon die Frage, wie groß die Lenkungswirkung ist und wie groß die CO2-Ersparnisse angesichts der hohen Kosten dieser Maßnahme wirklich sind. Ich würde mir wünschen, dass es – ähnlich wie bei anderen Umweltförderungen – eine Evaluierung des Lenkungseffektes gibt. Politisch war die Abschaffung vermutlich schwierig. 

Es werden auch noch andere Förderungen aus dem Bereich Umwelt gekürzt. Ist das aus klimapolitischer Sicht ein Problem, wie man gestern aus einigen Reaktionen vernehmen konnte? 

Köppl-Turyna: Wenn ich Emissionssenkungen erreichen will, dann muss ich schauen, wieviel mich das Verhindern einer Tonne CO2 kostet. Wenn der „social cost of carbon“ höher ist als ich für den CO2-Preis bezahlen müsste, dann sollte die Förderung weg. Dafür fehlen aber die Evaluierungen. Eine weitere Frage ist die soziale Treffsicherheit. Bei thermischer Sanierung und E-Mobilität ist es anekdotische Evidenz, dass Förderungen eher dann in Anspruch genommen werden, wenn die Einkommen ohnehin groß genug wären. Diese zwei Aspekte würde ich bei der Evaluierung solcher Förderungen in den Vordergrund stellen.  

Eine der wenigen Steuererhöhungen, die sich sehr viele Ökonomen hätten vorstellen können, wäre die Grundsteuer gewesen. Eine verpasste Chance? 

Köppl-Turyna: Ich habe eine Grundsteuerreform immer nur in Zusammenhang mit der Senkung anderer Abgaben gesehen und nicht als Sanierungsmaßnahme. Gemeinden finanzieren sich primär über Steuern auf Arbeit und das ist anreiztechnisch nicht gut, denn es sind die Lohnnebenkosten, die wir senken wollen. Die Grundsteuer hingegen ist wirklich sehr niedrig und kommt mit relativ wenigen wirtschaftlichen Problemen. Die Grundsteuer zu reformieren, würde aber eine breitere Diskussion über die Bemessungsgrundlage und über Einheitswerte brauchen und das geht nicht von heute auf morgen.  

Bei den Pensionen ist relativ wenig passiert – 150 Millionen Euro sind ein kleiner Posten, wäre da mehr drin gewesen? 

Köppl-Turyna: Ich bin sehr kritisch, dass man nur beim Aufwertungskonto angesetzt hat. Das generiert kurzfristig einen sehr geringen Ertrag – langfristig einen hohen – ist aber eine zusätzliche Belastung der jungen Generation, die volle Beiträge bezahlt. International betrachtet gehören sie sogar zu den höchsten Beiträgen und jetzt müssen diese Menschen mit einer signifikant niedrigeren Pension rechnen, während die Bestandspensionen nicht angegriffen werden. Die Bestandspensionen hätte man nur einmalig um 0,15 Prozent unter der Inflation erhöhen müssen, um auf diese 150 Millionen Euro zu kommen. Ein halbes Prozent unter der Inflation hätte sogar 400 Millionen Euro gebracht.  

Österreich muss nicht nur heute sparen, sondern planmäßig auch in jedem der kommenden sechs Jahre jeweils ein paar Milliarden Euro. Reicht das Paket über 2025 hinaus? Wieviele Milliarden müssen noch „gefunden“ werden? 

Es muss noch etwas dazukommen. Wir haben in der Diskussion auch aus dem Blick verloren, dass die Maßnahmen das Defizit nur auf das erlaubte Maß senken. Das Defizit ist aber nach wie vor sehr hoch. Wenn ein ausgeglichenes Budget das Ziel sein sollte, müssten wir derzeit 12 Milliarden Euro pro Jahr sparen. Das geht aber nur mit Strukturreformen. Die jetzt geplante Fahrt über sieben Jahre ist schon relativ niedrig, wird aber trotzdem erfordern, nächstes Jahr auch größere Brocken anzugehen: Gesundheit, Pensionen, die gesamte Förderlandschaft. Bei direkter und indirekter Förderung sprechen wir von 30 Milliarden Euro pro Jahr.  

Grafik: Staatlicher Primärsaldo in Österreich und einigen EU-Ländern

In den vergangenen Wochen gab es immer wieder Bedenken, dass ein Sparpaket das Mini-Wachstum, das wir heuer erwarten, gefährden könnte. Ist diese Gefahr gebannt? 

Es wird sicher konjunkturelle Effekte geben. Die werden wahrscheinlich negativ sein, das hängt aber sehr von der Maßnahme ab. Beispielsweise die Bildungskarenz ist eher höheren Einkommen zugutegekommen – dadurch wird der Konsum also wahrscheinlich nicht einbrechen. Wir dürfen aber auch nicht nur darüber nachdenken, wie wir kurzfristigen Konsum stützen können. Wichtiger wäre, sich Gedanken zu machen, ob wir glaubwürdig genug sind, dass in zehn Jahren noch hier investiert wird. Die Produktivität im Bildungssystem zu erhöhen und die Digitalisierung voranzubringen, sind wichtige Komponenten für die langfristige Entwicklung.