V.l.n.r.: Hermann Erlach (General Manager, Microsoft Österreich), Patricia Neumann (Präsidentin des Digitalbranchenverbands Internetoffensive Österreich und Vorstandsvorsitzende der Siemens AG Österreich), Christian Helmenstein (Chefökonom der Industriellenvereinigung und Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts Economica). ©Microsoft.
Produktivität

KI in Österreich: Wirtschaft könnte jährlich um 18 Prozent wachsen

Künstliche Intelligenz (KI) ist aus der österreichischen Wirtschaft nicht mehr wegzudenken. Während KI in manchen Unternehmen immer mehr zum Einsatz kommt, wird sie in Klein- und Mittelbetrieben kaum oder gar nicht genutzt. Dabei steigert die neue Technologie die Produktivität in Unternehmen enorm. Wie hoch das Potenzial von KI für die heimische Volkswirtschaft tatsächlich ist, hat das Wirtschaftsforschungsinstitut Economica am Montag gemeinsam mit der Internetoffensive Österreich und Microsoft Österreich präsentiert. 

Würde man das Potenzial von KI-Technologien in Österreich voll ausschöpfen, würde dies zu einer Freisetzung von 2,24 Milliarden Arbeitsstunden in Österreich führen. Übersetzt bedeut das ein jährliches BIP-Wachstum von 18 Prozent. Das entspricht der Jahresarbeitsleistung von Wien und der Steiermark gemeinsam.

Standortfaktor KI

Allerdings nutzen derzeit nur elf Prozent der heimischen Unternehmen Künstliche Intelligenz. Mehr als zwei Drittel der österreichischen Betriebe weisen einen geringen Digitalisierungsgrad auf. Besonders groß ist die Digitalisierungslücke bei den österreichischen KMU. Nur 8,9 Prozent der KMU setzen bereits Künstliche Intelligenz ein. Knapp 80 Prozent der Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten weisen eine sehr geringe bis geringe Digitalisierungsintensität auf. 

Die größten Potenziale lassen sich in den Bereichen realisieren, in denen KI-Lösungen noch wenig genutzt werden. Dazu zählen Arbeitsplätze mit einem hohen administrativen Anteil. Auch bei Führungskräften würde der Einsatz von KI Arbeitszeit freisetzen. Diese Stunden könnten in einem anderen Bereich produktiv eingesetzt werden.

KI treibt die industrielle Revolution voran

Laut Studienautor Christian Helmenstein ist KI nicht nur eine technologische Innovation, sondern sie reiht sich in die Geschichte der industriellen Revolution ein. Waren es einst die Entwicklung des Webstuhls, der Dampfmaschine oder des Verbrennungsmotors, stünden wir nun mit KI vor einer industriellen Revolution. „Zum ersten Mal in der Geschichte wird die Technologie nicht unsere Muskelkraft, sondern auch unsere geistige Kraft stärken“, sagt Helmenstein.

Er verweist darauf, dass die Arbeitsproduktivität in Österreich in den letzten Jahrzehnten rückläufig war. Dass die Arbeitsproduktivität schrumpft, sei in allen Industrieländern zu beobachten. Die Zahl der jährlich geleisteten Arbeitsstunden sinkt aufgrund der zunehmenden Teilzeitbeschäftigung, während die Stundenproduktivität im Durchschnitt steigt. Zudem stelle die demografische Entwicklung die Unternehmen vor große Herausforderungen, wie beispielsweise den Arbeitskräftemangel. Allein im öffentlichen Sektor werde der Personalbedarf bis 2040 um rund 55.000 Stellen steigen. 

Entweder Wertschöpfung oder Arbeitszeitreduktion

Gerade in Zeiten geringer Produktivitätsfortschritte hat der Einsatz von KI-Technologien in Österreich eine besonders hohe volkswirtschaftliche Bedeutung. Wichtig sei aber zu verstehen, dass der Einsatz von KI entweder den Trend der Arbeitszeitdisruption reduzieren oder den Arbeitskräfteverlust durch den demografischen Wandel kompensieren könne. Denn: „Beides kann KI nicht leisten. Wenn die Wahl der Bevölkerung Arbeitsstundenreduktion ist, wird es keine Wertschöpfung geben“, sagt der Ökonom. 

Digitalisierung als Chefsache

„In Österreich sind im KI-Bereich viele Partnerschaften möglich. Niemand muss die Dinge alleine bewegen“, erklärt Hermann Erlach, General Manager von Microsoft Österreich. Ihm sei bewusst, dass es in Österreich seit Jahren Handlungsbedarf im Digitalisierungsbereich gibt. Es sei daher höchste Zeit, sowohl bei den Unternehmen als auch bei Individuen anzusetzen.

Dazu schlägt Particia Neumann, Präsidentin des Digitalbranchenverbands Internetoffensive Österreich und Siemens-Österreich-Chefin, drei Ansatzpunkte vor, die die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs und die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Digitalisierung schaffen sollen. Zum einen sei es notwendig, rechtzeitig eine technologiefreundliche Regulierung einzuführen, die sich auf die Chancen und Potenziale der Technologien konzentriert und diese aktiv fördert. Dabei seien Investitionssicherheit und ein Fokus auf den Industriestandort von zentraler Bedeutung. 

Darüber hinaus seien klare Zuständigkeiten, eine „Digital First“-Policy sowie ein koordiniertes Vorgehen zwischen den Ministerien als erste Schritte notwendig. „Und als dritter maßgeblicher Punkt ist es wichtig, in allen Bereichen die Digital Skills zu fördern. Da am Einsatz von KI am Arbeitsmarkt kein Weg vorbeiführen wird, braucht es eine rasche Anpassung des (Aus-)Bildungssystems. Es muss mehr verpflichtende digitale Unterrichtsfächer über die gesamte Schullaufbahn hinweg geben, um die zukünftigen Arbeitskräfte gut vorzubereiten“, sagt Neumann.