Stephan Schwarzer ist Experte für Umweltrecht und Generalsekretär der eFuel Alliance Österreich. Im Interview mit Selektiv spricht er über das Verbrennerverbot der EU, Technologieoffenheit im Rennen mit China und den Green Deal der EU. „Mit Green Finance hat es begonnen, das war der erste Sündenfall“, sagt Schwarzer in Hinblick auf die bürokratische Dimension des Green Deals.
Österreich und Italien setzen sich dafür ein, dass das Verbrennerverbot der EU bereits nächstes Jahr evaluiert wird. Was verspricht man sich davon?
Stephan Schwarzer: Es ist falsch, Technologien zu verbieten, richtig ist es, die CO2-Emissionen zu reduzieren, und das geht auch mit Treibstoffen. Es ist ja einfacher, den Treibstoff zu ändern als das ganze Fahrzeug. Momentan sind nur E-Autos und Wasserstoffantriebe nicht von dem Verbot erfasst. Das ist der Grundfehler des Verbrennerverbots.
Welche Veränderung könnte oder sollte das vorzeitige Review des Verbots bringen?
Der Vorschlag aus Italien besagt, dass fossiles CO2 verboten ist. CO2 aus biogenen Kraftstoffen, E-Fuels oder HVO (ein Kraftstoff aus Rohstoffen wie Altspeiseöl, Anm.) sollte man abziehen können, denn das CO2, das dabei entsteht, wurde vorher der Atmosphäre entnommen. Das wäre keine Schwächung des Klimaschutzes, sondern würde uns mehr Technologien eröffnen, mit denen wir unsere Klimaziele erreichen können.
2025 sinken auch die Flottengrenzwerte, die Gesamtzahl der in der EU verkauften Autos darf dann also weniger CO2 verursachen als bisher.
Die Hersteller müssten doppelt so viele E-Autos in Europa absetzen wie bisher, um Strafen zu vermeiden. Die Menschen kaufen aber nicht so viele E-Autos. Derzeit ist EU-weit nur jedes achte verkaufte Auto ein Elektroauto, es müsste aber jedes vierte sein. Den Herstellern drohen Strafen von bis zu 16 Milliarden Euro. Die Autoindustrie ist ohnehin schon stark angeschlagen.
E-Fuels werden so kurzfristig nicht helfen können. Mit welchem Zeithorizont rechnen Sie, bis E-Fuels wirklich marktreif sind?
Ein paar Jahre Vorlauf wird es schon brauchen. Es stehen ungefähr 400 große Anlagen in den Startlöchern, der Bau kann aber aufgrund fehlender und falscher Regulatorik nicht starten. Die Politik legt den Investoren Steine in den Weg, anstatt ihn zu ebnen.
Was braucht es regulatorisch?
Zunächst einmal den Korrekturfaktor, also die Berücksichtigung erneuerbarer Kraftstoffe bei den Grenzwerten auch in dem Straßenverkehr. Dann braucht es Gleichbehandlung im Steuerrecht für alle alternativen Treibstoffe und Antriebe. Wir kommen zu wettbewerbsfähigen Preisen der E-Fuels, wenn der Straßenverkehr vorangeht. Lernkurven und Skaleneffekte sorgen dafür, dass die Kosten pro Liter rasch fallen. So haben wir das auch bei vielen anderen Technologien gesehen, erinnern wir uns, wie teuer am Anfang eine Photovoltaikanlage war.
An der Zapfsäule wären E-Fuels teurer als Benzin oder Diesel?
Eventuell um ein paar Cent – es würde sich aber in der bisher gewohnten Schwankungsbreite von 1,50 bis zwei Euro bewegen. Zudem kann man E-Fuels ja auch beimischen, es müssen nicht 100 Prozent sein. Mittelfristig wären E-Fuels dann nicht mehr teurer, sondern sogar billiger, denn die CO2-Steuer und der Zertifikatehandel werden die fossilen Produkte verteuern.
Wie erklären Sie sich den Widerstand der Grünen gegen E-Fuels?
Die Grünen müssten eigentlich die größten Fans der E-Fuels sein, denn sie tragen zum Klimaschutz bei. E-Fuels sind klimaneutral, da CO2 im Kreislauf geführt wird. Es entsteht also netto kein neues CO2. Bei fossilen Kraftstoffen ist das anders, denn dort entnehme ich etwas dem Boden und setze damit beim Verbrennen CO2 frei. Wer gegen E-Fuels ist, unterstützt fossile Treibstoffe. Der Widerstand ist rein ideologisch getrieben. Sie wollen einfach grundsätzlich keine Autos und schon gar keine Verbrenner. Sie wissen, dass für 5 Millionen E-Autos in Österreich nicht genug Strom zur Verfügung stehen wird und er teuer sein wird. Viele Menschen wollen keine E-Autos kaufen, wie man an den Verkaufszahlen sieht. 2024 war in Österreich nur jedes sechste verkaufte Auto ein Elektroauto, trotz der Subventionen und Steuervorteile.
Die Flottengrenzwerte sinken und die Klimaziele rücken zeitlich näher – hat die EU aus Ihrer Sicht hier eine praktische Lösung verschlafen?
Die letzten fünf Jahre waren verlorene Jahre. Aus ideologischen Gründen sind E-Fuels auf das Abstellgleis geschoben worden: Der Verbrenner ist böse, das Elektroauto ist gut. Dabei wird völlig ignoriert, dass der Strom auch aus Kohle oder Atomenergie kommt. China freut sich natürlich sehr über unsere Politik, denn China hat sich die Verfügung über die dafür notwendigen Rohstoffe gesichert. Gegenüber den USA setzen sie dies bereits als Waffe ein.
Wie steht China zu E-Fuels?
China macht alles. Sie sind groß in Atomenergie, bei Kohlekraftwerken, bei Windenergie und PV und Batterietechnologien. Wahrscheinlich werden sie auch bei E-Fuels die Größten. Europa verschläft die nächste Technologie, die wir uns dann aus China holen müssen. China wird die Welt mit „grünen Verbrennern“ und den dafür notwendigen E-Fuels versorgen, darauf kann man Gift nehmen.
Sollte die EU noch weitere Teile des Green Deals evaluieren?
Fast alle, würde ich sagen. Es ist ein ziemliches Desaster. Das ursprüngliche Ziel des Green Deals, Wachstum und Klimaschutz zu vereinen, war richtig, aber tatsächlich ist etwas ganz anderes passiert, eine Tsunami von Rechtsakten ergoss sich über der Wirtschaft. Der Green Deal umfasst Rechtsakte, die im EU-Amtsblatt 36.000 Seiten ausmachen – von Lieferkettenrichtlinie über Entwaldungsverordnung bis hin zu Green Finance. Eine geradezu biblische Zahl. Mit Green Finance hat es begonnen, das war der erste Sündenfall. Was nicht erwünscht ist, soll von den Banken auch nicht mehr finanziert werden. Durch die Entwaldungsverordnung muss jeder Baum auf der Welt überwacht werden. Ein Buchhändler aus New York muss nachweisen, von welchem Baum das Papier kommt, wenn er ein Buch nach Europa liefern will. Gleichzeitig hat man die wesentlichen Dinge nicht gemacht.
Die EU hat es verabsäumt, den anderen Ländern Klimaschutz schmackhaft zu machen. Energiepartnerschaften können beiden Seiten – ihnen und der EU – sehr viel Nutzen stiften. Die EU errichtete stattdessen Importbarrieren. Worauf basiert die Partnerschaft? Es ist ganz einfach: Manche Länder können viel mehr Energie produzieren als sie brauchen, und bei uns ist es genau umgekehrt. Das schreit nach Zusammenarbeit. Wir profitieren, weil wir fossile durch nichtfossile Energie ersetzen können und die Versorgung gewährleistet ist, die Länder profitieren durch die Wertschöpfungen, und der Klimaschutz nimmt endlich Fahrt auf. Die EU beschäftigt sich nur mit den eigenen Emissionen, die nur noch 6 Prozent der weiter wachsenden Weltemissionen ausmachen. Ein Green Deal müsste die 100 Prozent Emissionen ins Visier nehmen, und das geht mit Technologien und Kooperation, wenn die Benefits ersichtlich sind, viel besser als mit erhobenem Zeigefinger und überbordender Regulierung.