US-Präsident Trump Teil 2? Gewöhnen wir uns schon einmal daran

15. Juli 2024Lesezeit: 4 Min.
Kommentar von Rainer Nowak

Rainer Nowak ist österreichischer Journalist und Ressortleiter für Wirtschaft und Politik bei der „Kronen Zeitung“. Zuvor war Nowak Chefredakteur, Herausgeber und Geschäftsführer der Tageszeitung „Die Presse“.

Nach dem gescheiterten Attentat auf den republikanischen Präsidentschaftskandidaten ist sein Wahlsieg wahrscheinlicher denn je. Er scheint auf seine zweite Amtszeit besser vorbereitet zu sein als Europa auf seine Verteidigungs- und Wirtschaftspolitik. 

Die Reaktion war unfassbar und typisch zugleich: Nachdem Donald Trump bei dem Attentat einen Streifschuss erlitten hatte und in Deckung gegangen war, verbot er seinen Personenschützern vom Secret Service, ihren Job zu tun. Statt geduckt und gedeckt von ihnen im Laufschritt die Gefahrenzone zu verlassen, richtete er sich auf, hob die Faust, blickte wie ein Westernheld und rief „Fight. Fight. Fight!“ Dabei rann ihm das Blut vom durchschossenen Ohr an der Wange und den Hals entlang. Mindestens ein Fotograf hielt die kriegerische, möglicherweise wahlentscheidende Szene fest. Ikonisch und für die Geschichtsbücher, schrieben die Journalisten in ihren schnellen Analysen. Nun, Geschichtsbücher schreiben sie nicht, aber zur Fußnote am Weg ins Weiße Haus wird es jedenfalls reichen. Egal welche Wendungen dieser dramatischste US-Wahlkampf in der Geschichte noch nehmen wird, also ob Joe Biden weiter glaubt, im Rollstuhl siegreich ins Weiße Haus gerollt zu werden oder eine Notnagel-Kandidatin der Demokraten statt ihm die Wahl verliert, die Welt sollte sich schon einmal darauf vorbereiten, es mit Trump zu tun zu bekommen. Wieder.

Egal wie nachtragend Trump ist, kaum eine Staatskanzlei in Europa hat in den vergangenen Jahren irgendeinen positiven Kontakt zum Trump-Lager gepflegt. Die Ausnahme ist Viktor Orban. Im Gegenteil haben die meisten Regierungschefs offene Missbilligung zur Kandidatur Trumps gezeigt. Das Verhältnis zwischen Trump und der EU war nie gut, in seiner zweiten Amtszeit könnte es noch schwieriger werden. Deutschland hätte mit Friedrich Merz zumindest einen potenziell nicht vorbelasteten Kanzler, der ein dezidierter Transatlantiker ist und mit den Republikanern kann. Der Rest Europas wird wohl kaum bis keine Einladungen zum Staatsbesuch bekommen. Das ist nicht so gut, wenn es um die wichtigste Wirtschafts- und Militärmacht für Europa geht. Fest steht, dass der militärische Schutz Europas weniger als bisher von den USA übernommen werden würde. Das bedeutet automatisch viel mehr Militärausgaben, die anderswo in den Budgets fehlen werden. Die politische Kindergarten-Streitereien und Eitelkeitsübungen zwischen selbstgerechten Liberalen und Sozialdemokraten wie Emmanuel Macron und Olaf Scholz müssten im Fall des Falles sofort ein Ende finden, sonst wird die EU noch mehr zu dem, was sie schon ist: ein machtpolitisches Leichtgewicht. 

Und wirtschaftspolitisch? Viele Reporter berichteten vergangene Woche erstaunt bis empört, dass der konservative Think Tank, The Heritage Foundation, auf Hunderten Seiten ein republikanisches Wahlprogramm für Donald Trumps zweite Amtszeit verfasste. Das ist professioneller als beim vergangenen Antritt, als Trumps Team anfangs viel Widerstand und wenig Ideen hatte. Neben gesellschaftspolitischen Themen von Sehrrechtsaußen – ein massives Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen – handelt es sich um ein wirtschaftspolitisches neoliberales Programm, wie es in Europa mit Ausnahme Margaret Thatcher bisher nie gab. Steuersenkungen, und zwar auch für hohe Einkommen, gelten noch als Klassiker, die massive Reduktion der Körperschaftsteuer steht ebenfalls am Plan. Der öffentliche Dienst soll massiv redimensioniert werden, Geld soll so frei und Überregulierung sowie die „linke“ Bildungspolitik bekämpft werden. Indem man einfach die dafür verantwortlichen Beamten entlässt. Das kann man nicht mögen und als rückschrittlich kritisieren, aber es wird passieren. Und: Viele Auflagen und Regulatorien im Kampf gegen den Klimawandel sollen zurückgenommen werden. Damit wird der dümpelnde Green Deal der EU zur einsamen Windmühle auf der Welt. 

Dies, der von Trump sicher noch härter betriebene Wirtschaftsimperialismus (auch gegen Europa, notfalls mit entsprechenden Handelskriegen) und die Tatsache, dass damit die wirtschaftliche Dynamik noch stärker in den USA passieren wird, dürfte den wirtschaftlichen Niedergang Europas beschleunigen. Strafzölle von zehn Prozent auf alle Importe, plant das Heritage-Papier „Project 2025“. Das könnte etwa der deutschen Automobilindustrie den Gnadenschuss geben.

Natürlich könnte gegengesteuert werden. Dann würde ausgerechnet Trump Europa zwingen auf den Wachstumspfad zurückzukehren und die Grünetraumweiblein-Politik zu beenden. Das ist aber wohl zu viel erwartet. Von Europa.

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