Wohin bloß mit dem ganzen Reichtum?

18. Juni 2024Lesezeit: 4 Min.
Sara Grasel Illustration
Kommentar von Sara Grasel

Sara Grasel ist Chefredakteurin von Selektiv. Sie ist seit fast 20 Jahren Wirtschaftsjournalistin mit Stationen bei „Die Presse“, Trending Topics und brutkasten. Zuletzt war sie Chefredakteurin der Magazine der Industriellenvereinigung.

Marlene Engelhorn hatte in den vergangenen Jahren keine Zeit für eine berufliche Tätigkeit. Sie hatte alle Hände voll mit „Aktivismus“ zu tun. Seit Jahren wirbt sie damit, 90 Prozent ihres geerbten Vermögens spenden zu wollen. Das sind 25 Millionen Euro. Sie will damit darauf hinweisen, dass es für Menschen wie sie Vermögensteuern geben müsse, um „etwas zurückzugeben“. Die Erbin hat sich für einen sehr komplizierten Weg entschieden, ihr Geld zu spenden – das ist natürlich ihr gutes Recht. Mit seinem Vermögen tun und lassen zu können, was man will, gehört zu einer der wichtigsten Grundfreiheiten unserer demokratischen Gesellschaft. Sie hat 50 Österreicherinnen und Österreicher auswählen lassen, die nun in mehreren Workshops entschieden haben, an welche 70 Organisationen gespendet wird. Bei einer gleichmäßigen Verteilung wären das rund 360.000 Euro pro Organisation.

Heute ist also der Tag, an dem das Geheimnis gelüftet wird – um 9 Uhr ist klar, welche Organisationen bedacht werden. Sie will damit für eine gerechtere Welt sorgen. Sie ist nicht die einzige Millionärin, die einen Teil ihres Vermögens spendet. Ein recht rezentes Beispiel in der gleichen Größenordnung: Die Unternehmerin Magdalena Walz hat dem Forschungsinstitut ISTA in Klosterneuburg 2021 testamentarisch 25 Millionen Euro hinterlassen. Diese Millionen werden in Grundlagenforschung investiert, die uns allen dient, den Standort stärkt und die Basis für Innovation schafft. Das ist eine sehr sinnvolle Art, sein Geld zu investieren. Eine andere sinnvolle Art wäre ein Investment in Unternehmen, um Arbeitsplätze zu schaffen, Innovation in den Markt zu bringen und für Wachstum zu sorgen. Entweder direkt, als Unternehmer oder indirekt über den Kapitalmarkt.

Als Aktivistin hat Engelhorn aber etwas anderes im Sinn: Sie hätte gerne, dass Menschen, die soviel Geld haben, nicht selbst darüber entscheiden, was mit einem guten Teil davon gemacht wird – es soll über eine Steuer an den Staat gehen, der es dann „gerechter“ verteilen soll. Aber wie wäre es, dafür zu sorgen, dass alle mehr haben, statt in Robin-Hood-Manier, vermeintlich ungerechtfertigt „Reichen“ etwas wegzunehmen und es anderen zu geben? Wohlstand ist kein Kuchen fixer Größe, um den man sich reissen muss und von dem einige gierig ein besonders großes Stück verschlingen. Gut investiertes Kapital sorgt für Innovation und Wirtschaftswachstum, das ermöglicht weitere Investitionen in die Schaffung neuer Arbeitsplätze oder vielleicht auch in höhere Löhne und am Ende steigt dadurch auch das Steuervolumen.

Es ist ja nicht so, als würde der Staat Österreich zu knapp zulangen. Wir haben mit 43,1 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) laut Statistik Austria eine der höchsten Steuer- und Abgabenquoten in Europa. Und auf Kapitalerträge – wenn man sich zum Beispiel Gewinne aus Unternehmensanteilen ausbezahlen lässt – fallen satte 27,5 Prozent Kapitalertragsteuer an, im internationalen Vergleich ebenfalls sehr viel. Diese Kapitalertragsteuer wurde übrigens bei der Abschaffung der Vermögensteuer in Österreich eingeführt. Fans und Feinde einer Vermögensteuer streiten gerne darum, warum diese Steuer (übrigens von der SPÖ) abgeschafft wurde – Tatsache ist jedenfalls, dass sie mittlerweile in fast allen europäischen Ländern Geschichte ist. Eine Vermögensteuer wäre keine gerechte Strafe für faule Reiche, die sich in leistungslosem Wohlstand suhlen. Sie würde vor allem Eigentümer von Unternehmen treffen – auch mittelständischer Familienunternehmen, die die Steuer nur bezahlen können, wenn sie ihr Unternehmen scheibchenweise verkaufen oder vielleicht einfach zusperren. Dann hilft es uns auch nichts mehr, dass der Staat ein bisschen mehr Geld für ineffiziente Verwaltung aus höheren Steuereinnahmen lukriert hat.

Vielleicht gelingt es Frau Engelhorn ja, den Rest ihres Millionenvermögens – dem Vernehmen nach sollen ja noch etwa 2,5 Millionen Euro übrig sein – im Sinne von Wachstum und Innovation zu investieren und daraus einen noch größeren Kuchen zu backen, von dem viele Menschen etwas haben – und am Ende auch wieder der Staat, wenn durch kluge Investitionen Arbeitsplätze entstehen, Löhne bezahlt werden und dadurch wiederum mehr konsumiert und Vermögen aufgebaut wird.

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