Auf 112 Seiten präsentieren die Grünen ihr Programm „Wähl als gäb’s ein morgen“. Klimaschutz und Naturschutz nehmen dabei erwartbar viel Raum ein – aber auch zu Vermögensteuern, Arbeitszeitverkürzung und Freihandel gibt es Positionen. Selektiv hat die Wahlprogramme der im Parlament vertretenen Parteien in Österreich gelesen und fasst jeweils fünf wirtschaftspolitische Ideen aus diesen zusammen.
1. Vermögensteuern
Die Grünen setzen sich für Vermögensteuern ein. Die Höhe der Besteuerung bleibt im Wahlprogramm offen – jedenfalls soll es bei einer allfälligen Erbschaftssteuer einen Freibetrag von einer Million Euro geben. Auch Stiftungen sollen in diese einbezogen werden. Die Erträge sollen zum Teil in die Entlastung von Arbeitseinkommen fließen. Die Grunderwerbsteuer soll des Weiteren progressiv ausgestaltet werden, um „Luxus-Immobilien“ höher zu besteuern. Bei Kapitalerträgen soll eine europaweit einzuführende Finanztransaktionssteuer nicht nur Aktien und Anleihen, sondern auch Derivate erfassen. Auf Spareinlagen sollen heimischen Banken Untergrenzen für Zinssätze vorgeschrieben werden, die sich am jeweiligen EZB-Leitzins orientieren. Pensionsversicherungen müssen sich nach Vorstellung der Grünen verpflichtend an klimafreundliche Investments halten. Zudem wird eine “Luxus-CO2-Steuer” für “Luxus-Sportwägen und Yachten” gefordert.
2. Arbeitszeitverkürzung
In ihrem Programm sprechen sich die Grünen für eine stufenweise Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden aus – nach Abklingen des akuten Fachkräftemangels. Für Pflege- und Betreuungskräfte wird dabei ausdrücklich eine Arbeitszeitreduktion bei gleichem Lohn festgehalten. Zuschläge für Mehrarbeit sollen allgemein erhöht werden. Argumentiert wird, dass die Arbeitsproduktivität durch eine Verkürzung der Arbeitszeit steigt und zusätzliche Investitionen in Digitalisierung und Technologie angeregt werden. Für Eltern wollen die Grünen einen erleichterten Rechtsanspruch auf Teilzeitbeschäftigung und für Ältere einen Rechtsanspruch auf kontinuierliche Altersteilzeit. Für Vorstände in Unternehmen ab 1.000 dauerhaften Mitarbeitern soll eine Frauenquote eingeführt werden (derzeit besteht diese nur bei Aufsichtsräten). Bei den Lohnnebenkosten wollen die Grünen den Arbeitgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichsfonds verringern bzw. anders finanzieren. Das Arbeitslosengeld soll auf bis zu 70 Prozent erhöht werden.
3. Netz- und Erneuerbaren-Ausbau
Einen besonderen Fokus setzen die Grünen in ihrem Wahlprogramm auf die Energie-, und Strompolitik. Durch den vom Klimaministerium erstellten österreichischen Netzinfrastrukturplan (ÖNIP) sehen die Grünen den Netzausbau dabei am richtigen Weg. Das Stromnetz soll flexibler und robuster werden und auch die Einspeisung vieler kleiner privater Erzeuger mit geringen Übertragungsverlusten ermöglichen. Es soll zudem eine Verpflichtung zum Bau von PV-Anlagen auf Parkplätzen ab 50 Stellplätzen geben. Energiegemeinschaften bei denen jeweils mehrere Haushalte, auch in Mehrfamilienhäusern und Mietwohnungen, den selbst erzeugten Strom nutzen sollen einfacher und unbürokratischer ermöglicht werden. Bürgerbeteiligung an Erneuerbaren Energiekraftwerken soll gefördert werden. Durch ein Energie-Ausbaugesetz sollen Doppelprüfungen bei Genehmigungsverfahren vermieden werden und für diese nur mehr ein Bescheid einer zuständigen Behörde nötig sein. Weiters sollen Elektro-Tankstellen rechtlich mit herkömmlichen Tankstellen gleichgestellt werden, um den Ausbau der Ladeinfrastruktur zu erleichtern.
4. Grüne Industrieproduktion
Ginge es nach den Grünen, dürfte die heimische Industrie für ihren Gasbedarf ab 2040 nur mehr grüne Gase verwenden. Die eingeführte CO2-Bepreisung habe mehr Kostenwahrheit gebracht und mache umweltfreundlichere Industrieprodukte zunehmend wettbewerbsfähiger. Wie hoch der CO2-Preis in Zukunft ausfallen soll, bleibt im Programm unklar. Der Standard berichtete 2020 davon, dass den Grünen ein Preisniveau über jenem Deutschlands (55 Euro/Tonne ab 2025) vorschwebt. Die Grünen treten des Weiteren für einen größeren Schutz der Industrie vor Importen aus Ländern mit geringeren Umweltauflagen ein. Ein Plan für die Abscheidung und Nutzung unvermeidbarer Treibhausgase in Industrieprozessen soll erstellt werden. Ein Klimarahmengesetz hat klare Ziele und Vorgaben für alle Sektoren, wie zum Beispiel ein verbindliches CO₂-Budget, vorzusehen. Am Verbrennerverbot ab 2035 wird festgehalten, E-Fuels in der Automobilität lehnen die Grünen ab, da für deren Produktion enorme Strommengen erforderlich seien. Die aktuelle „Übergewinnsteuer“ soll ausgeweitet werden und in Zukunft alle Energieunternehmen betreffen. Investieren Energieunternehmen in Erneuerbare Energien, verringert sich wie schon jetzt ihre Steuerlast.
5. Sozial-ökologischer Freihandel
Das Handelsabkommen Mercosur wird von den Grünen in seiner aktuellen Fassung abgelehnt. Sie fordern eine Neuverhandlung und eine generelle Neuausrichtung der europäischen Handelspolitik mit Fokus auf Menschenrechten, Umwelt- und Klimaschutz. Handelsabkommen sollen in Zukunft soziale und ökologische Standards verbindlich festschreiben; die kommunale Daseinsvorsorge solle geschützt werden. Ein Freihandelsabkommen der EU mit China wird abgelehnt solange Konflikte und systematische Menschenrechtsverletzungen bestehen. Die Grünen setzen sich des Weiteren für ein ambitioniertes Lieferkettengesetz ein, welches transparente Lieferketten mit sozialen und ökologischen Mindeststandards inklusive Sorgfaltspflichten schafft.
Zum Wahlprogramm der Grünen
Selektiv hat die Wahlprogramme der im Parlament vertretenen Parteien in Österreich gelesen und fasst jeweils fünf wirtschaftspolitische Ideen aus diesen Programmen zusammen. Bereits erschienen ist die Analyse zum NEOS-Programm und zum FPÖ-Programm. In den kommenden Tagen erscheinen auf selektiv.at die Analysen zu den Programmen von SPÖ und ÖVP.